Julia Extra Band 0294
ihm um. Er nahm ihre Hand und streifte einen Ring auf den richtigen Finger. „In meiner Familie ist es seit Generationen Tradition, dieses Schmuckstück an die Braut weiterzugeben.“
Missbilligend betrachtete Lily ihre Hand, die nun von einem sehr großen Diamanten, eingefasst von kleineren runden Saphiren, geziert wurde. Ein ungeheuer wertvolles Requisit für einen entsetzlich billigen Schwindel! Alles in ihr rebellierte dagegen.
Fieberhaft suchte sie nach einem überzeugenden Einwand. „Er ist viel zu groß. Ich kann ihn nicht tragen. Ich würde ihn nur verlieren“, sagte sie.
Warm schloss sich seine Hand um ihre. „Ich werde ihn enger machen lassen.“ Ihre Hände waren so klein und zart wie ihr ganzer Körper. Spontan verspürte er den Drang, sie zu beschützen.
„Das kannst du nicht tun“, erwiderte sie. „Vielleicht möchtest du eines Tages wirklich heiraten. Dann wirst du den Ring wieder weiter machen lassen müssen.“
„Eine Frau mit dicken Fingern werde ich niemals heiraten“, gab er neckend zurück. „Trag ihn. Vertrau mir. Ich weiß, was ich tue.“
Als sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen, hielt er sie fest.„Das glaube ich nicht. Wie lange kann eine Verlobung dauern? Irgendwann wirst du die ganze Sache abblasen müssen. Wie wird sich deine Mutter dann fühlen? Bestimmt sehr enttäuscht, weil sich ihre Hoffnungen auf Enkelkinder wieder in Luft aufgelöst haben!“
Jetzt ließ er ihre Hand los. Lily spürte die distanzierte Kälte, die ihn auf einmal wieder umgab. „Ich wäre überglücklich, wenn Madre noch zwei Jahre verbleiben würden.“ Er wandte sich ab und zog einige Unterlagen aus seinem Aktenkoffer. Damit war das Gespräch für ihn beendet.
Doch so einfach ließ Lily sich nicht abspeisen. Ihr Mitgefühl war geweckt worden. „Du liebst deine Mutter sehr, nicht wahr?“
„Natürlich“, entgegnete er schneidend.
Also steckte hinter der harten Schale ein weicher Kern. Dieses Phänomen wollte sie weiter erforschen, wollte ihn besser verstehen lernen und ihm seine Erpressung vergeben. „Und du würdest alles tun, um sie glücklich zu machen?“
„Allein darum geht es hier.“ Der Aktenkoffer war vergessen. Paolo wandte sich zu ihr um. Entschlossenheit funkelte in seinen Augen. „Hast du das etwa schon vergessen? Du glaubst doch wohl nicht, dass ich diese Scharade inszeniere, weil mir deine Gesellschaft so gut gefällt?“
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, bereute er sie zutiefst. Sie sah aus, als hätte er sie ins Gesicht geschlagen. Dabei hatte er nur die Wahrheit gesagt. Er hatte keine Lust, auf die Gefühle seiner Angestellten Rücksicht zu nehmen.
Mit einem Schulterzucken hob Paolo den Aktenkoffer wieder auf seinen Schoß und widmete sich seiner Arbeit.
Bis auf die knappe Erklärung, seine Mutter wohne mit ihrer Krankenschwester und einer Freundin in der Familienvilla in den Hügeln außerhalb von Florenz, schwieg Paolo auf der Fahrt in dem schnittigen Ferrari durch die unberührte toskanische Landschaft.
Genauso gut könnte ich unsichtbar sein, ging es Lily durch den Kopf. Aber das macht mir überhaupt nichts aus, redete sie sich im selben Atemzug ein. Ignoriert zu werden war viel besser, als wenn er freundlich zu ihr war.
Denn wenn er ihr Komplimente machte, lächelte oder ihre Hand nahm, wurde sie innerlich ganz weich und vergaß glatt, was für ein dominanter Mistkerl er doch eigentlich war. Auch wenn er eine Schwäche für seine Mutter hatte, verhielt er sich immerzu schlecht gelaunt, ungeduldig, arrogant und zeigte keinerlei Gewissen.
Was die nächsten zwei Wochen betraf … nun, sie würde sie irgendwie überstehen. Vielleicht konnte sie sich als die Art Frau präsentieren, die Signora Venini nicht in ihrer Familie willkommen heißen würde. Dann wäre die arme alte Dame auch nicht enttäuscht, wenn ihr Sohn die Verlobung löste! Im Gegenteil, sie wäre erleichtert!
Sie lächelte, während sie in ihrem Kopf die verschienen Szenarien durchspielte, wie sie sich danebenbenehmen könnte. Doch der scharfe Blick, den Paolo ihr zuwarf, ließ ihr Lächeln augenblicklich verschwinden.
„Wir sind da“, sagte er und steuerte den Wagen durch ein hohes Tor, das sich bei ihrer Ankunft automatisch geöffnet hatte.
Die lang gewundene Einfahrt war von schlanken Zypressen gesäumt, die dunkle Schatten auf den hellen Kies warfen. Lilys heitere Stimmung trübte sich. Das Spiel begann. Jetzt wurde es ernst.
Das Herz rutschte ihr in die Hose, als die große,
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