Julia Extra Band 0295
sprichst, wird dir das sehr leidtun!“, brüllte er.
Sie hielt inne und drehte sich um. Nun konnte sie ihren Zorn nicht länger unterdrücken.
„Mir wird es leidtun?“, fauchte sie. „ Mir wird es leid tun ? Was könntest du denn noch Schlimmeres tun, als du schon getan hast?“
Er erschrak über ihren Zorn. Trotzdem musste er es aus ihrem Mund hören.
„Also ist das Kind, das du unter dem Herzen trägst, von mir ?“
Einen Moment lang zögerte sie und blickte ihn ungläubig an. Dann ging sie auf ihn zu. Als sie nur noch Zentimeter von ihm entfernt war, nahm sie ihm den Hut ab und reichte ihn ihm. Ganz ruhig hob sie die Kanne mit Eistee hoch und schüttete ihm langsam den Rest des Tees über den Kopf.
Die Gäste schienen den Atem anzuhalten, als Justin inmitten des Speiseraumes stand und das kalte Getränk ihm aus den Haaren in die Augen tropfte.
Eigentlich hätte er wütend sein müssen. Doch er hatte den Schmerz in ihrem Blick bemerkt und verspürte Scham. Vor Dutzenden fremder Menschen hatte er soeben ihren Anstand infrage gestellt. Was zur Hölle hatte er sich nur dabei gedacht? Er seufzte. Genau das war das Problem. Er hatte keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen können, seit sie vor sechs Monaten von diesem Monopolyspiel aufgesprungen war und vor Freude über ihren Sieg gejubelt hatte.
„Marilee, ich …“
Sie drehte sich wortlos um und ging fort. Dabei kam sie an Calvin vorbei, der auf seinem Weg aus der Küche war.
„Was zum Teufel ist hier los?“, fragte Calvin.
Marilee ging stumm weiter.
Plötzlich begriff Justin, dass sein Verhalten Marilee nicht nur in eine peinliche Situation, sondern womöglich auch in Schwierigkeiten mit ihrem Chef gebracht hatte. Das durfte er nicht zulassen.
„Es ist nichts“, erklärte er schnell. „Wir haben nur ein wenig Tee vergossen. Es ist alles meine Schuld.“
„Das erste wahre Wort“, murmelte die Frau, die Marilee kurz zuvor noch bedient hatte.
„Loretta, halt den Mund!“, fuhr ihr Mann sie an. Er warf Justin einen Blick zu, der deutlich machte, dass auch er die Situation nicht mehr im Griff hatte.
„Ich hole einen Wischmopp“, sagte eine der Kellnerinnen, während Dellie hinter Marilee her in die Küche stürmte.
Marilee fühlte sich, als wäre ihr Herz in Stücke gerissen worden. Als sie in der Küche ankam, musste sie ein Schluchzen unterdrücken. Schützend legte sie die Hände über ihren Bauch und stürzte in den Pausenraum. Dort brach sie in Tränen aus. Es waren die Tränen, die sie bereits vor sechs Monaten hätte weinen sollen, als Justin sie alleingelassen hatte. Marilee spürte nichts mehr außer dem unsagbaren Schmerz. Justin durfte sie auf keinen Fall so sehen! Hastig nahm sie ihre Schürze ab und begann, ihre Sachen zusammenzusuchen. Sie musste hier weg – bevor es zu spät war!
Dellie kam in den Pausenraum.
„Er ist es, habe ich recht?“, wollte sie wissen.
Marilee nickte, als sie ihren Spind öffnete, um ihre Handtasche herauszuholen.
„Ich muss gestehen, dass er nicht den Schwanz eingekniffen hat und geflüchtet ist, wie ich vermutet habe“, bemerkte Dellie nachdenklich. Sie blickte Marilee an. „Aber ich bin selbstverständlich noch immer auf deiner Seite, Süße. Du fährst jetzt erst einmal nach Hause. Wir werden dich hier vertreten. Calvin muss sich keine Gedanken machen.“
Spontan drehte Marilee sich um und umarmte Dellie. „Danke“, sagte sie.
„Dafür sind Freunde da“, erwiderte Dellie. „Und jetzt geh, bevor er hereinstürmt und den Rest des Ladens auseinandernimmt.“
Mit den Autoschlüsseln in der Hand und ihrer Tasche über der Schulter verließ Marilee das Roadrunner und hastete zu ihrem Wagen. Sie wusste, dass die große Aussprache mit Justin Wheeler noch folgen würde. Und sie hatte das Bedürfnis, auf vertrautem Boden zu sein, wenn es zum großen Showdown kam.
Justin entschuldigte sich indes noch immer bei Calvin und half der Kellnerin, den Tee aufzuwischen, den Marilee ihm über den Kopf geschüttet hatte. Als er zufällig einen Blick aus dem Fenster warf, erstarrte er. Zwar hatte er das alte Auto nur ein Mal gesehen, doch er erkannte es sofort wieder. Und genau dieses Auto fuhr gerade mit Vollgas vom Parkplatz!
Ohne zu zögern drückte Justin Calvin den Mopp in die Hand.
„Ich muss gehen“, sagte er und stürzte zur Eingangstür.
Er hatte die Tür beinahe erreicht, als einer der Gäste schrie: „Es wäre der größte Fehler Ihres Lebens, wenn Sie ihr nicht folgen!“
Justin
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