Julia Extra Band 0295
dass wir uns nicht besonders gut kennen“, sagte er. „Aber Menschen haben schon aus weit geringfügigeren Gründen geheiratet als wir. Es gibt zwei Gründe, die niemand bestreiten kann: Du trägst mein Kind unter dem Herzen, und du wirst es nicht allein aufziehen müssen.“
In dem Moment begann die Mauer der Angst, hinter der Marilee sich verschanzt hatte, zu bröckeln. Denn ihre größte Angst war es, das Kind allein großziehen zu müssen und nicht die finanziellen Mittel zu haben, ihm ein anständiges Zuhause bieten zu können. Und er hatte ihr soeben eine Möglichkeit aufgezeigt, mit dieser Angst umzugehen. Doch um diese Möglichkeit wahrzunehmen, war sie gezwungen, das Einzige aufzugeben, das ihr ganz allein gehörte: ihren Stolz.
Justin wurde allmählich nervös. Von ihrem Gesicht konnte er nichts ablesen, und sie schwieg noch immer. Gerade als er glaubte, dass er gleich den Kampf seines Lebens zu bestehen hätte, atmete sie tief durch. Er ertappte sich dabei, wie er die Luft anhielt und gespannt auf ihr Urteil wartete.
„Wenn überhaupt möglich, bin ich der Meinung, dass es im Interesse des Kindes ist, von zwei liebenden Eltern aufgezogen zu werden“, sagte sie. Als er etwas erwidern wollte, hob sie die Hand und bedeutete ihm zu schweigen. „Ich bin noch nicht fertig.“
Ruhig zu bleiben fiel ihm schwer. Er war hin- und hergerissen zwischen dem Impuls, vor Freude loszulachen, und dem Bedürfnis, in Tränen auszubrechen. Doch er wartete und gab ihr die Zeit, die sie brauchte, um in Worte zu fassen, was sie sagen wollte.
„Justin, als ich von zwei liebenden Eltern sprach, wollte ich damit nicht sagen, dass du mich eines Tages lieben wirst. Vielmehr erwarte, nein, fordere ich, dass unser Kind von dir niemals ein respektloses Wort über mich oder meine Herkunft hören wird. Außerdem kenne ich deinen familiären Hintergrund nicht – aber wenn ich deine Frau werde, will ich nicht behandelt werden, als wäre ich weniger wert. Von niemandem. Nicht von dir, deinem Vater, deiner Mutter oder sonst irgendwem. Ich will wegen der Umstände unserer Heirat nicht als zweitklassig gelten. Hast du mich verstanden?“
In dem Moment fühlte Justin etwas, das ihm bisher fremd gewesen war – Stolz. Verdammt, diese Frau war ihm vielleicht doch gewachsen.
Er nickte. „Ja, meine Liebe. Ich stimme dir voll und ganz zu. Ich gelobe dir hiermit, dass du an dem Tag, an dem du meine Frau wirst, meinen Namen tragen und in jeder erdenklichen Hinsicht unter meinem Schutze stehen wirst. Und ich breche mein Wort niemals.“
„Hast du eine Freundin?“, fragte sie.
„Äh … nein.“
„Du solltest mich besser nicht anlügen“, warnte sie ihm. „Ich werde es nicht dulden, belogen oder betrogen zu werden. Wir werden vielleicht keine Ehe führen, in der der Himmel voller Geigen hängt, aber du solltest mich respektieren – oder ich bin weg.“
Er wurde blass. „Da gibt es niemanden.“
„Also dann …“ Sie atmete tief durch. „Ja, ich werde dich heiraten.“
Justin spürte, wie eine Welle der Erleichterung seinen Körper durchströmte, und entspannte sich. Er wollte zu ihr gehen, sie umarmen, doch wieder wich sie ihm aus.
„Das wird nicht noch einmal geschehen – außer du meinst es ernst. Ich will nicht aus einem puren körperlichen Bedürfnis heraus oder aus reinem Pflichtgefühl mit dir schlafen.“
Überrascht runzelte Justin die Stirn. „Was ist denn jetzt so anders als damals? In jener Nacht hast du meine Berührungen und Küsse genossen.“
Marilee schluckte. Dann hob sie das Kinn an, und in ihren Augen schimmerten Tränen.
„Genau darum geht es, Justin. Damals habe ich fälschlicherweise angenommen, dass du etwas für mich empfindest – so wie ich etwas für dich empfunden habe.“
Sie erhob sich. Und aus Angst, sie könnte sich wieder zurückziehen, konnte er es ihr nur gleichtun. Doch statt zu gehen, deutete sie mit ihrem Zeigefinger auf seine Brust und sah ihn eindringlich an.
„Ich hatte noch nie – niemals in meinem ganzen Leben – nur Sex. Ein paar Mal habe ich mich jemandem, der mir viel bedeutete, in Liebe hingegeben. Unglücklicherweise hat meine Menschenkenntnis mich dieses Mal im Stich gelassen, und ich habe die Situation falsch eingeschätzt. Vertrau mir: Das wird mir nie mehr passieren.“
Sie drehte sich um. Und während sie ihm den Rücken zuwandte, spürte er Panik in sich aufsteigen. Obwohl sie der Heirat zugestimmt hatte, glaubte er zu spüren, dass sie beide sich unendlich
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