Julia Extra Band 0295
probieren.“
„Das kann ich verstehen“, entgegnete Marilee. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“
„Habt ihr noch Tabascosoße?“
„Bring ich sofort“, sagte Marilee, drehte sich um und warf einen kurzen Blick zum Eingang, als sie sich auf den Weg Richtung Küche machte.
Und in dem Moment wusste sie, dass ihr Tag nicht so locker und problemlos weitergehen würde, wie er begonnen hatte.
Denn Justin Wheeler war soeben durch die Tür gekommen.
Die widersprüchlichsten Gefühle stürzten auf sie ein – von Schock über Panik und Wut bis hin zu einer gewissen Benommenheit. Doch es war die Wut, die schließlich die Oberhand gewann. Sie hob das Kinn an, holte unter dem Tresen eine Flasche Tabasco hervor und brachte sie an den Tisch.
„Genießen Sie Ihr Essen“, sagte sie. Als sie an ihrer Freundin Dellie vorbeikam, nahm sie sie zur Seite. „Dellie, kannst du mir einen Gefallen tun, bitte?“, flüsterte sie.
„Was denn, Süße?“, erwiderte die Kellnerin leise.
„Nimm du die Bestellung von dem Kerl auf.“
Dellie drehte sich um, sah in die Richtung, in die Marilee deutete, und runzelte die Stirn.
„Aber er sitzt an einem deiner Tische, Süße. Bist du dir sicher, dass …“
„Wenn er hierhergekommen ist, um zu essen, wird jemand anders seine Bestellung aufnehmen müssen“, erklärte Marilee entschieden. „Ich kümmere mich dafür um das Pärchen“, sagte sie gedämpft. Damit ging sie, um die Speisekarten für das Paar zu holen, das sich gerade gesetzt hatte.
Verwirrt blickte Dellie ihr hinterher. Und als sie sich umwandte, um den Mann anzusehen, beschlich sie ein vager Verdacht. Zwar kannte sie seinen Namen nicht, doch sie würde das Trinkgeld einer Woche darauf verwetten, dass er der Typ war, der Marilee das Kind angedreht hatte. Sie nahm sich eine Speisekarte vom Ende des Tresens und stürmte durch den Speisesaal zu seinem Tisch.
Justin Wheeler war ein wenig nervös. Es war lange her, dass er im Roadrunner gewesen war. Lange genug, dass jedes Gefühl von Panik oder Verlegenheit, Marilee wiederzusehen, durch pure Scham ersetzt worden war. Seit er Marilees Haus an jenem Morgen verlassen hatte, war ihm klar, dass er sie hätte wecken müssen. Und den ganzen Weg nach Lubbock hatte er sich geschworen, sie anzurufen. Doch er hatte es nicht getan. Dann, als Weihnachten näher gerückt war, hatte er begonnen, ihr Blumen zu schicken – nur als Dankeschön natürlich, weil sie ihm Unterschlupf vor dem Sturm gewährt hatte. Aber auch diese gute Absicht war ohne eine Reaktion von ihr geblieben.
Eines war zum anderen gekommen, und aus Wochen waren Monate geworden. Die Entschuldigungen, warum er einen Umweg um Amarillo machte, wenn er von Dallas nach Hause fuhr, klangen allmählich lahm – sogar in seinen Ohren.
Endlich hatte er sich dazu durchgerungen, an diesem Frühlingstag einfach anzuhalten und Hallo zu sagen – und wenn es nur aus dem Grund geschah, sich selbst davon zu überzeugen, dass Marilee ihm nichts mehr bedeutete. Und dass die Träume von ihr, die ihn in jede Nacht heimsuchten, seit er sie verlassen hatte, nichts weiter als Hirngespinste waren.
Als er das Restaurant betrat, spürte er, dass er es vermisst hatte hierherzukommen. Das Essen war gut – überdurchschnittlich gut –, und die Menschen waren immer freundlich. Dass er sich ausgerechnet an einen von Marilees Tischen setzte, lag daran, dass alle … zumindest die meisten … der anderen Plätze besetzt waren.
Er nahm seinen Stetson ab und legte ihn mit der Krempe nach oben auf den Stuhl neben sich. Gerade wollte er sich mit gespreizten Fingern durchs Haar fahren, als jemand die Speisekarte vor ihm auf den Tisch knallte.
„Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“
Er blickte auf. Es war nicht Marilee, die das fragte. Aber wer auch immer diese Frau war – sie wirkte mehr als ärgerlich.
„Wie wäre es mit Eistee?“, fragte er und schenkte ihr ein Lächeln.
Doch sie funkelte ihn nur an.
Es war das erste Mal, dass er mit einem Lächeln eine solche Reaktion hervorrief.
„Was können Sie heute empfehlen?“, fragte er, ohne die Speisekarte aufzuschlagen.
„Ich nehme Ihre Bestellung auf, wenn ich den Tee bringe.“ Damit rauschte sie davon.
Justin war überrascht. Diese Frau musste ganz sicher an ihrer Einstellung arbeiten. Stirnrunzelnd blickte er ihr hinterher, als ihm ein Gedanke kam. Was wäre, wenn Marilee hier überhaupt nicht mehr arbeitete? Was wäre, wenn sie umgezogen war? Was wäre, wenn er sie
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