Julia Extra Band 0297
Erfolgs betrachtete sie ihn offensichtlich immer noch als minderwertige Lebensform, nicht viel besser als ein Wurm oder eine Kröte.
Mit einem großen Schluck leerte er das Glas. Ist mir doch egal, was die Leute von mir halten, dachte Paolo gleichgültig. Inzwischen war es ihm wirklich egal. Als Kind hatte er darunter gelitten, dass sein Vater ständig im Gefängnis saß und seine Mutter verschwunden war. Sie hatte das drei Monate alte Baby einfach in der „Obhut“ des kriminellen Mannes zurückgelassen.
Paolo hatte viel Spott und Verachtung einstecken müssen, bis er gelernt hatte, sich zu verteidigen und sich durchzusetzen. Sogar wenn seine Gegner größer und brutaler gewesen waren. Es war eine Schule fürs Leben gewesen.
Seine Kinder sollten es besser haben. Er musste nur eine Frau aus untadeliger Familie finden, die ihre Kinder genug liebte, um bei ihnen zu bleiben. Ihr Name und sein Reichtum würden dafür sorgen, dass niemand verächtlich auf seine Kinder herabschaute.
Isabelle wäre ideal, aber sie war sich ja zu gut, um auch nur seine Geliebte zu werden, geschweige denn seine Frau.
Sie war die Prinzessin von San Piedro, er war ein Niemand.
Besser gesagt: Er war ein Niemand gewesen. Jetzt war er ein Mann von Welt, der alle Tricks kannte.
Ich werde es ihr zeigen, schwor er sich.
Er würde sie verführen, streicheln und umwerben. Er würde sie zum Lachen bringen, würde sie dazu bringen, ihn zu lieben.
Falls Isabelle ihm den Respekt verweigerte, würde er sie zwingen, sich ihm zu unterwerfen, indem er sie schwängerte. Dann musste sie ihn heiraten, um einen Skandal zu vermeiden.
Ihm würde die berühmteste – und schönste – Prinzessin von allen gehören. Als Ehefrau.
4. KAPITEL
Isabelle ließ sich aufs Bett fallen und zog die Knie hoch, das rote Kleid fest an sich gepresst. Eine milde Brise, die nach Geißblatt duftete, wehte durchs weit offene Fenster und strich ihr sanft über die nackte Haut.
Entsetzt fragte sie sich, wie sie nur so tief hatte sinken können, vor Paolo einen Striptease aufzuführen und ihn förmlich anzuflehen, sie zu lieben. Besser gesagt, Sex mit ihr zu haben!
Und was hatte ihr das eingebracht? Er hatte sie eine Hure genannt, sie, die Prinzessin von San Piedro.
Am liebsten wäre sie aus dem Fenster gesprungen und hätte ihr Elend für immer im Meer ertränkt, aber das war Paolo dann doch nicht wert.
Außerdem hatte sie als Prinzessin Pflichten. Ihr Land brauchte sie. Ihr Sohn brauchte sie. Sie musste einfach weitermachen.
Nach einem tiefen Durchatmen stand Isabelle langsam auf und ging über den kostbaren Teppich zum offenen Kamin. Voll Abscheu betrachtete sie das rote Seidenkleid und warf es dann auf den Rost. Rasch zündete sie ein langes Streichholz an und hielt es gegen den Stoff, der sofort in Flammen aufging.
Bald war nur noch ein Häufchen Asche übrig.
So, das wäre erledigt. Endgültig. Bevor sie noch einmal versuchte, Paolo zu verführen, würde sie lieber barfuß über glühende Kohlen gehen.
An der Tür zum Bad entdeckte sie einen weißen Bademantel und zog ihn an, bevor sie nach der Haushälterin läutete.
Die erschien gleich darauf. Sie war eine freundliche Frau mit rosigen Wangen und grau meliertem Haar, das sie zu einem glatten Knoten frisiert hatte. Kritisch musterte sie Isabelle und machte einen kleinen Knicks.
Wahrscheinlich hält sie nicht mehr von mir als Paolo, dachte Isabelle wütend und hob stolz den Kopf. „Ich bin Isabelle de Luceran.“
„Ja, Prinzessin, das weiß ich. Ich bin Signora Bertolli.“
„Guten Tag. Irgendwo in diesem Riesenhaus steht meine Reisetasche. Wären Sie so freundlich, sie mir zu bringen?“
„Ja, natürlich. Ich bin gleich wieder da.“
Es dauerte wirklich nicht lang, bis Signora Bertolli mit der Tasche zurückkam. „Soll ich sie auspacken, Principessa?“, erkundigte sie sich und öffnete den Verschluss, ohne die Antwort abzuwarten. „Oh! So wunderschöne Kleider“, bemerkte sie ein bisschen wehmütig.
Isabelle ihrerseits beneidete die Haushälterin um deren alltägliche Freuden: ein behagliches kleines Haus, einen Ehemann, der sie ins Kino ausführte, Kinder. Mahlzeiten im Familienkreis, Gespräche in der Küche …
Damals in New York hatte Isabelle von einem solchen Leben geträumt. Einem Leben mit Paolo.
Nachdem sie seinen Heiratsantrag angenommen hatte, war sie am folgenden Morgen in ihr College zurückgekehrt. Ihr wurde ganz schwindlig, wenn sie daran dachte, wozu sie sich entschlossen hatte.
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