Julia Extra Band 0297
ausgenutzt und dann fallen lassen. Und nicht nur das – sie hatte ihm mit ihrer Verachtung alles Selbstwertgefühl geraubt.
Ohne ein weiteres Wort verließ Paolo das Schlafzimmer. Er mochte es ohnehin nicht, weil er sich darin wie in einem Käfig fühlte. Hier hatte seine Schlaflosigkeit angefangen, und leider war sie ihm überallhin gefolgt, in das Penthouse in New York und den Landsitz in Irland.
Er hatte alles Mögliche versucht, um wenigstens ab und zu eine Nacht durchzuschlafen. Zum Beispiel hatte er bis zum Umfallen im Fitnessstudio trainiert und in einem Club geboxt, bis ihm alle Knochen wehtaten, er hatte es sogar mit nahezu fremden Frauen stundenlang getrieben, aber nichts hatte funktioniert.
Irgendwann redete er sich ein, dass die Schlaflosigkeit gar nicht so schlecht sei, weil sie ihm mehr Zeit zum Arbeiten schenkte. Mit sichtbaren Erfolgen. In den vergangenen drei Jahren hatte sich sein Vermögen vervierfacht, außer dem Motorradwerk besaß er nun Stahlwerke und Zulieferbetriebe. Als Milliardär hatte er alles, was ein Mann sich nur wünschen konnte.
Dass er bei nur drei Stunden Schlaf pro Nacht oft genug schroff und unhöflich reagierte, war nicht sein Problem. Die meisten Leute vermieden es, ihn zu reizen, vor allem seine Angestellten.
Leise seufzend ging Paolo in sein Arbeitszimmer. Wenn er in San Cerini war, hielt er sich meistens in dem Raum mit den vielen Büchern und dem Schreibtisch am Fenster auf, von dem aus man das Meer sah.
Ansonsten ging er auch oft in seine riesige Garage mit Platz für zehn Autos und bastelte an den Motoren herum. Das beruhigte ihn.
Motoren verstand er. Sie waren logisch und berechenbar.
Anders als Menschen.
Anders als Frauen.
Anders als Isabelle.
Damals hatte er sie gebeten, ihn zu heiraten. In der Nacht, bevor sie für die Sommerferien nach San Piedro zurückkehren sollte, hatte er das schlafende Mädchen in seinen Armen gehalten und zärtlich betrachtet.
„Heirate mich, Bella“, hatte er geflüstert und natürlich keine Antwort erwartet.
Doch Isabelle schlug die wunderschönen Augen auf, lächelte ihn an und sagte „Ja“.
Nie vorher oder nachher hatte er solche Freude empfunden wie in diesem Moment. Sie hatten sich die ganze Nacht in den Armen gehalten, auf der dünnen Matratze in seinem schäbigen Apartment, glücklich wie im Märchen.
Am nächsten Morgen, als sie zurück in ihr Collegewohnheim gegangen war, um Koffer zu packen, hatte er das einzig Wertvolle verkauft, was er besaß: den alten Motor, an dem er seit über einem Jahr herumbastelte. Von dem Erlös kaufte er einen Verlobungsring.
Fest entschlossen, die Verlobung richtig über die Bühne zu bringen, kochte er in der Küche der Vermieterin fettuccine nach einem Geheimrezept seiner Großmutter. In seinem Zimmer deckte er den Tisch mit einer geborgten Tischdecke, nicht zusammenpassendem Geschirr und einer Kerze in einer alten Flasche als Krönung.
Und dann lief alles schief. Isabelle aß gerade mal nur zwei, drei Bissen und war sehr nervös. Als er sich nach dem Essen vor sie kniete, ihr den Ring hinhielt und sie nochmals bat, seine Frau zu werden, verwandelte sie sich vor seinen Augen in eine völlig andere Person.
„Du willst mich heiraten?“, fragte sie ungläubig und riss ihm den Ring mit dem winzigen Brillanten aus der Hand. „Hast du völlig den Verstand verloren?“ Mit einem spöttischen Lachen warf sie ihm den Ring ins Gesicht. „Ich hatte nur ein bisschen Spaß mit dir, Paolo. Man will doch auch mal wissen, wie die Unterschicht lebt. Ich dachte, du wüsstest, wie wenig ernst ich die Affäre mit dir nehme. Ich bin immerhin die Prinzessin von San Piedro, und du bist ein Niemand. Ehe? Dass ich nicht lache!“
Nachdenklich ging Paolo nun zur Bar und goss sich einen großen Whisky ein. Damit trat er ans Fenster und sah über die Bucht zum Palast der de Lucerans.
Liebe machte tatsächlich blind und blöd.
Letztlich verdankte er der unglücklichen Affäre seinen Erfolg. Isabelles Verachtung spornte ihn an. Den Ring verkaufte er sofort wieder und kaufte den Motor zurück, den er anschließend zum Prototyp des Caretti Motors entwickelte. Und nun war er reicher und mächtiger, als er sich je hätte träumen lassen.
Ganz ohne Hilfe von Seiten seines Vaters und dessen Kumpanen.
Nur ein einziges Mal hatte Paolo die alten Beziehungen spielen lassen – gestern. Allein hätte er Isabelles Neffen nicht befreien können.
Aber trotz seiner Hilfe, trotz seines Vermögens und seines
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