Julia Extra Band 0299
hatte sie feststellen müssen, dass der liebenswürdige Jerome auch noch eine ganz andere Seite hatte. Obwohl er wusste, dass sie kaum eine Stunde zuvor ohnmächtig zusammengebrochen war, hatte er sich mit keinem Wort nach ihrem Befinden erkundigt. Stattdessen hatte er sich über ihren Mangel an Loyalität beschwert und sie als Verräterin bezichtigt, weil sie sich in Dominicks Suite aufgehalten hatte. Nach einem ziemlich unerfreulichen Wortwechsel hatte er sich äußerst kühl von ihr verabschiedet, und Kenzie befürchtete, dass ihr gleich noch weitere Vorwürfe bevorstanden.
Und was Dominick betraf … Irgendetwas war mit ihm vorgegangen, so viel stand fest. Von seiner verletzenden Gleichgültigkeit war jedenfalls nichts mehr zu bemerken. Noch nie hatte Kenzie ihn so engagiert erlebt, und seine Bemerkung, dass es ihm unmöglich sei, sich von ihr fernzuhalten, hatte sie mitten ins Herz getroffen.
Und was hatte er ihr sagen wollen, bevor es an der Tür geklingelt hatte …?
Kenzie hatte keine Ahnung, was sie von all dem halten sollte, aber jetzt stand Jerome vor der Tür, und sie würde keine Gelegenheit mehr haben, es herauszufinden.
„Ich glaube, es wäre besser, wenn du jetzt gehst“, sagte sie leise. In ihren Augen lag ein beinah flehender Ausdruck, doch Dominick schüttelte entschieden den Kopf.
„Wenn du allein mit Carlton reden willst, warte ich meinetwegen solange in der Küche, aber ich werde nicht gehen, bevor du dir angehört hast, was ich dir zu sagen habe.“ Seine unnachgiebige Miene ließ keinen Zweifel daran, dass jeder Widerspruch zwecklos war.
„Jerome wird nicht gerade begeistert sein, dich hier zu sehen.“
Dominick gab einen verächtlichen Laut von sich. „Das ist sein Problem! Was dieser Kerl denkt, interessiert mich nicht!“ Als er sah, wie Kenzie bei seinem schroffen Tonfall zusammenzuckte, riss er sich zusammen. „Du bist diejenige, die mir wichtig ist, Kenzie“, fügte er deutlich sanfter hinzu. „Du und das, was du wirklich willst.“
Was immer Kenzie auch in Jeromes Arme getrieben hatte – Liebe war es mit Sicherheit nicht gewesen. Im Laufe der vergangenen Nacht war Dominick zu der Überzeugung gelangt, dass die Kenzie, die er kannte, sich ihm niemals so vorbehaltlos hingegeben hätte, wie sie es in Bedforth Manor getan hatte, wenn sie einen anderen Mann lieben würde. Ob er daraus schlussfolgern konnte, dass ihre Liebe immer noch ihm, Dominick, galt, blieb allerdings abzuwarten.
Erneut klingelte es.
Einen Moment lang blickte Kenzie unschlüssig zwischen Dominick und der Tür hin und her und überlegte verzweifelt, was sie jetzt tun sollte. Dann stieß sie einen resignierten Seufzer aus. „Also gut“, gab sie sich geschlagen. „Dann bleib von mir aus hier.“
Sollten die beiden sich doch ihren Hahnenkampf liefern. Ihre Nerven lagen blank, und es stand ohnehin nicht in ihrer Macht, es zu verhindern.
Doch bevor sie zur Tür gehen konnte, umfasste Dominick ihr Gesicht mit beiden Händen und sah ihr eindringlich in die Augen. „Willst du Jerome heiraten?“, fragte er sie heiser.
Kenzie erschauerte unter seiner Berührung. Das Herz klopfte ihr zum Zerspringen, und plötzlich hatte sie das deutliche Gefühl, dass es ein Fehler gewesen war, ihn wegen des Babys zu belügen. Aber für solche Überlegungen war es jetzt zu spät.
„Kenzie, bitte!“, drängte er. „Willst du ihn heiraten oder nicht?“
In dem atemlosen Schweigen, das nun eintrat, entdeckte Kenzie etwas in Dominicks Augen, das sie nie zuvor darin gesehen hatte. Etwas, nach dem sie sich immer gesehnt und das er ihr stets verweigert hatte. Bis zu diesem Augenblick …
„Nein“, flüsterte sie schließlich, am ganzen Körper bebend. „Nein, ich will Jerome nicht heiraten.“
Dominick studierte aufmerksam ihre Züge, als wollte er sich jede Einzelheit einprägen. „Gut“, meinte er schließlich. „Denn es gibt noch eine dritte Möglichkeit, außer ihn zu heiraten oder das Baby allein großzuziehen.“
Wie gebannt erwiderte Kenzie seinen Blick und wartete mit angehaltenem Atem darauf, dass er fortfuhr.
„Falls du diese Möglichkeit als Zumutung empfindest, könnte ich es verstehen, aber ich möchte trotzdem, dass du es weißt.“ Er hielt kurz inne, um tief einzuatmen, dann sagte er: „Du könntest mit mir verheiratet bleiben.“
Kenzie sah ihn fassungslos an. „Aber du … ich meine …“ Sie schüttelte den Kopf und verstummte hilflos.
Angesichts ihrer Verwirrung musste Dominick trotz
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