Julia Extra Band 0300
schlank. Ihre Gesichtszüge waren eher markant als schön. In einem langen schwarzen Kleid, mit hervorragend gefärbtem und frisiertem Haar sah sie einschüchternd elegant aus.
Ein kleines Stück hinter ihr stand eine jüngere Frau. Sie trug ein hochgeschlossenes, ärmelloses Kleid aus olivgrüner Seide und dazu eine Perlenkette und tropfenförmige Perlenohrringe. Das schwarze Haar war zu einem straffen Nackenknoten gesteckt. Doch es waren ihre eindrucksvollen Gesichtszüge, die Carrie fesselten.
Auch diese Frau stand so reglos da wie eine Statue.
Dass alle verstummt waren, machte Alexeis anscheinend nichts aus. Er ging auf die elegante Frau mittleren Alters zu, die, wie Carrie vermutete, die Besitzerin der luxuriösen Villa war. Sie kam ihr vage bekannt vor, allerdings hätte sie sich bestimmt daran erinnert, wenn sie ihr schon einmal begegnet wäre. Alexeis sagte wieder etwas auf Griechisch und küsste die Gastgeberin auf die Wange.
Lächelnd richtete er sich nun auf. „Das ist Carrie“, stellte er sie auf Englisch vor. „Sie wohnt mit mir im Strandhaus. Ich nehme an, du hast nichts dagegen, dass ich sie mitgebracht habe.“
Einen Moment lang verharrten sie wie in einer angehaltenen Filmszene. Dann ging Alexeis mit Carrie zu der jungen Frau und wechselte erneut ins Griechische. Ihr Gesicht blieb maskenhaft starr, als sie schließlich mit einem einzigen Wort antwortete.
Das schien Alexeis nicht zu stören. Er winkte einen Bediensteten heran, nahm sich ein Glas Champagner vom Tablett und gab Carrie auch eins. Mit kraftlosen Fingern hielt sie es mühsam in der Hand. Was in aller Welt ging hier vor? Die Leute waren vom gleichen Schlag wie diejenigen, die Carrie in New York getroffen hatte. Alle trugen teure Kleidung und sahen sehr reich aus. Leute, die in denselben Kreisen wie Alexeis verkehrten.
Aber nie zuvor hatte sie sich so gefühlt wie jetzt. Plötzlich war sie schrecklich eingeschüchtert. Mehrere der Männer starrten sie an, und sie wünschte verzweifelt, sie hätte den Schal dabei, um sich zu verstecken. Unbewusst drückte sie sich näher an Alexeis. Beruhigend lächelte er sie an.
„Ich fürchte, wir haben alle aufs Essen warten lassen.“
War die Atmosphäre deshalb so frostig? Weil sie zu spät gekommen waren? Für Carrie erklärte das nicht, warum alle sie so anstarrten. Noch immer gänzlich verunsichert und verlegen, ließ sie sich von Alexeis zum Esstisch führen.
Irgendwie überstand sie die Mahlzeit. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und zurück zum Strandhaus gerannt. Und noch immer musterten sie die anderen Gäste eingehend, die einen verstohlen, die anderen ganz offen. Warum? War ihr Kleid zu tief ausgeschnitten? Keine der anderen Frauen am Tisch zeigte sich dekolletiert. Warum hatte Alexeis ihr nicht gesagt, sie solle etwas anderes anziehen? Oder sie solle den Schal mitnehmen?
Auch war sie die einzige Frau hier mit offenem Haar. Ständig warf Carrie es zurück über die Schultern, damit es ihr nicht ins Gesicht fiel. Doch sobald sie es berührte, schien sie erst recht die Aufmerksamkeit darauf zu lenken – die der Männer und der Frauen. Manche der bösen Blicke glitten zu der funkelnden Diamanthalskette, die Carrie auf Alexeis’ Wunsch hin trug.
Unsicher fragte sich Carrie, was an Diamanten zu diesem Kleid so falsch war. Na gut, einige der Frauen trugen Perlen. Sie sah jedoch mindestens eine andere mit einer auffallenden Rubinkette, eine weitere mit einer großen Brosche aus Saphiren und Diamanten.
Oder war sie es selbst, gegen die alle etwas hatten? Nicht nur, weil sie zu spät gekommen waren, sondern auch, weil Alexeis sie überraschend mitgebracht hatte? Das war nicht ihre Schuld. Sie hatte sich nicht selbst eingeladen.
Und sie konnte nichts dafür, dass sie kein Griechisch sprach. Italienisch ebenfalls nicht, aber in Mailand hatte niemand sie so schlecht behandelt wie hier.
Nein, irgendetwas stimmte nicht. Nur wusste Carrie nicht, was es war. Deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als es so gut wie möglich zu ignorieren und weiterzuessen, obwohl ihr der Appetit vergangen war.
Alle unterhielten sich auf Griechisch, und niemand sprach mit ihr, auch Alexeis nicht. Zwischen den Gängen saß Carrie angespannt und unglücklich da und fragte sich, warum er sie überhaupt zu dieser Dinnerparty mitgenommen hatte. Denn bis auf die große junge Frau in dem olivgrünen Kleid, die am anderen Ende des Tisches neben der Gastgeberin saß, hatten alle anscheinend ihren festen Partner
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