Julia Extra Band 0300
ist es sehr … schattig. Möchtest du nicht gern die Jalousien offen haben?“
„Nein“, antwortete Carrie ausdruckslos. Unerträgliche Gefühle versuchten, in sie einzudringen. Doch sie wehrte sie ab. „Ich bin müde. Vielleicht schlafe ich noch ein wenig.“
„Das ist wahrscheinlich das Beste“, stimmte Alexeis zu. Was sonst konnte er sagen?
Erneut wandte sie das Gesicht ab. Sie wollte ihn nicht ansehen.
Alexeis flüchtete zurück in sein Büro. Zumindest nahm die Arbeit seine Aufmerksamkeit und Zeit in Anspruch. Dafür war er dankbar.
In der Mittagszeit ging Alexeis noch einmal zu Carrie. Auf seine höflichen Fragen antwortete sie nicht. Ausdruckslos sah sie ihn an, dann wandte sie den Kopf ab, um wieder an die Wand zu starren. Alexeis konnte sie verstehen. Was sollte Carrie zu ihm sagen? Was sollte er zu ihr sagen?
Resigniert verließ er sie wieder.
Carrie hörte ihn gehen. Sie wollte ihn hier nicht haben. Sie wollte in Ruhe gelassen werden und weiter die Wand anstarren, die wie die Wand in ihrem Inneren war, mit der sie die Welt fernhielt. Deshalb sollte das Zimmer abgedunkelt bleiben. Damit draußen alles so dunkel war wie drinnen.
Aber der Arzt, der später an diesem Nachmittag kam, hatte andere Vorstellungen.
„Sie brauchen Ruhe. Das heißt aber nicht, dass Sie hier liegen müssen, als wären Sie im Leichenschauhaus! Morgen sollten Sie frische Luft schnappen. Ich werde Ihnen ein Stärkungsmittel verschreiben. Außerdem die notwendigen Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere. Gesund essen ist ebenso wichtig.“
Carrie nahm das Stärkungsmittel und die Nahrungsergänzungsmittel ein und aß das Essen, das ihr die Krankenschwester brachte. Hunger hatte Carrie nicht. Auch keinen Durst. Nichts. Sie war froh, als der Arzt ging. Alexeis begleitete ihn hinaus, kehrte jedoch wenige Minuten später zurück. Carrie blickte ihn an. Ein Fremder. Das war alles, was er war.
Alles, was er jemals gewesen war.
„Ich bin mit dem Arzt einer Meinung“, erklärte Alexeis energisch. „Ständig in diesem düsteren Zimmer zu liegen ist nicht gut für dich. Morgen früh lasse ich eine Bettcouch auf die Terrasse stellen. Dann hast du zumindest Meerblick, Carrie.“
Sie wollte keinen Meerblick. Sie wollte die Wand anstarren. Sie wollte nicht schwanger sein. Sie wollte nicht hier sein. Sie wollte Alexeis nie wiedersehen.
Ich muss hier weg. Ich muss weg. Sobald ich kann.
Unaufhörlich gingen ihr die Worte im Kopf herum.
Nach einer Weile verließ Alexeis wieder das Zimmer.
Anscheinend wurden für Carries Umzug auf die Terrasse die Krankenschwester, Alexeis und sechs Hausangestellte gebraucht. Schließlich war es jedoch geschafft. Das Schlimmste daran war gewesen, dass Alexeis sie aus dem Bett gehoben und nach draußen getragen hatte. Carrie war völlig starr geworden.
Von ihm angefasst zu werden hatte sie als unerträglich empfunden.
Fast so schlimm wie mit ihm zu sprechen. Nur musste sie es tun. Denn ohne seine Hilfe würde sie nicht von hier wegkommen.
Er saß ein kleines Stück weit entfernt und blickte aufs Meer, wie sie beschattet von einer großen Markise, die über die halbe Terrasse ragte. Die Aussicht war sensationell. Eine Ebene unter ihnen tanzte die Sonne auf dem Wasser des Swimmingpools, der weiße Stein schimmerte in der strahlenden Luft, das Meer war ein glitzerndes Blau.
So schön es auch war, Carrie sah es, als wäre sie hinter einer weiteren Wand. Einer Glaswand diesmal, aber ebenso undurchdringlich.
Zum Frühstück hatte Carrie sehr wenig gegessen. Die Übelkeit war zurück, schlimmer als vorher, was es noch unangenehmer machte, etwas zu essen. Pflichtbewusst hatte Carrie Stärkungs- und Nahrungsergänzungsmittel geschluckt, und jetzt war ihr eine Tasse Tee mit einer Zitronenscheibe gebracht worden. Wie immer trank Alexeis starken schwarzen Kaffee.
Morgens starken Kaffee, abends koffeinfreien. Nicht mehr als drei Glas Wein pro Abend. Frisches Obst zum Nachtisch, manchmal Käse. Stilles Wasser, einen Liter am Tag. Von montags bis freitags fünfundvierzig Minuten im Fitnessstudio, an den Wochenenden doppelt so lange. Alexeis rasierte sich zweimal am Tag und mochte Pfefferminzzahncreme. Er badete nicht, sondern duschte immer. Während des Essens ging er nicht ans Telefon. Er aß lieber Fisch als Fleisch, er …
So vieles wusste Carrie über Alexeis. Aber eigentlich hatte sie nichts gewusst. Überhaupt nichts. Diese Liste verspottete sie ebenso grausam, wie Alexeis’ Bruder es getan
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