Julia Extra Band 0300
sein Vater überhaupt einen mitfühlenden Zug an sich?
Nicht, wenn es um seine Familie ging.
Alexeis’ Miene wurde härter. Wer würde noch mehr Kinder in so eine Familie bringen wollen?
Nur hatte er genau das getan. Unvorsichtig, unbeabsichtigt. Seine Mutter hatte ihn einen ehrenhaften Mann genannt. Denn er war bereit, eine Frau zu heiraten, die er kaum kannte. Damit ein Kind ehelich geboren wurde, das keiner von ihnen beiden geplant hatte. War das ehrenhaft? Bedeutete es, „das Anständige tun“? Sein Mund verzog sich zu einem zynischen Lächeln.
Was sonst konnte er denn tun? Nichts! Es gab nichts anderes, was er tun konnte!
Alexeis presste die Hände auf die Brüstung. Ihm kamen Gedanken, die er zu verdrängen versuchte. Doch sie verschwanden einfach nicht.
Gab es wirklich nichts anderes? Zum Beispiel könnte er aufhören, sich wie ein verwöhnter, egoistischer Playboy zu benehmen und sich selbst zu bedauern, weil sein bequemes Junggesellenleben bedroht war. Vielleicht sollte er aufhören, sich tugendhaft zu fühlen, nur weil er bereit war, seine Verantwortung anzunehmen. Es ging nicht darum, das Anständige zu tun, sondern darum, das Richtige zu tun.
Ein Vater zu sein, wie es seiner niemals gewesen war. Ein Vater, der seines Kindes würdig war.
Und aus dem Nichts fiel ihm die Lösung ein. Er würde sein Kind nicht im Stich lassen, indem er es sich ungezeugt wünschte. Sein Kind würde bei ihm geborgen und geliebt sein. Er würde ein so guter Vater sein, wie es in seiner Macht stand.
Alexeis blickte hinunter auf den Strand, an dem er als kleiner Junge gespielt hatte. Sein Sohn oder seine Tochter würde es auch tun. Carrie würde eine liebevolle Mutter sein. Was spielte es für eine Rolle, dass sie als Ehefrau eines Nicolaides nicht geeignet war? Alexeis beschloss, niemals zuzulassen, dass irgendjemand sie verspottete oder sich über sie lustig machte. Ihre Unzulänglichkeiten waren nicht ihre Schuld.
Wäre es ihm etwa lieber, wenn Marissa mit seinem Kind schwanger wäre? Oder Adrianna? Sofort sträubte sich alles in ihm dagegen.
Obwohl er sich kaum noch an Yannis’ Mutter zu der Zeit erinnerte, als sie sein Kindermädchen gewesen war, hatte er ihre Sanftheit und Freundlichkeit nicht vergessen. Wenn er hingefallen war, hatte sie ihn hochgehoben und an sich gedrückt. Sie hatte ihm seltsame englische Kinderlieder vorgesungen und viel gelächelt und gelacht.
Carrie würde wie sie sein. Liebevoll, sanft und fürsorglich. Was sonst brauchte ein Kind?
Und was ihn anbelangte …
Tja, er würde sich nicht darüber beklagen können, sie als Mutter seines Kindes zu haben. Und wohl kaum darüber, sie als Geliebte in seinem Bett zu haben. Und dass sie in all den kommenden Jahren als Ehefrau an seiner Seite sein würde …
Damit würde er fertig werden, wenn es so weit war. Bis dahin blieb nur Warten. Über seine Zukunft würde das Schicksal bestimmen, das er nicht kontrollieren konnte.
An diesem Abend endete das Warten. Carrie begann zu bluten, und diesmal hörte es nicht auf.
Der Arzt und die Krankenschwester waren bei ihr. Carrie wolle Alexeis nicht im Zimmer haben, war ihm ausgerichtet worden, deshalb saß er vor der Tür, bis der Arzt wieder herauskam.
„Ich sollte zu ihr hineingehen“, meinte Alexeis.
„Nein, ich habe ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Sie wird ziemlich lange schlafen.“ Der Arzt seufzte laut. „Es tut mir leid. Die Natur findet ihre eigene Lösung, und manchmal ist es das Beste.“
Er verabschiedete sich und versprach, wiederzukommen, wenn seine Patientin wach war.
Völlig reglos stand Alexeis eine Weile in der Eingangshalle, dann ging er in Carries Zimmer. Die Krankenschwester wollte etwas sagen, doch er brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
Eine Zeit lang blickte er auf Carrie hinunter. Was er empfinden sollte, wusste er nicht. Er wusste nur, dass er sein altes Leben zurückhatte. Und dass sein ungeborenes Kind den Preis dafür bezahlt hatte.
Schuldgefühle überkamen ihn.
Leise wies er die Krankenschwester an, ihn zu rufen, wenn Carrie aufwachte. Dann verließ er das Zimmer.
Als Carrie aufwachte, war sie sofort voll da. Was auch immer ihr der Arzt gegeben hatte, ihr Erinnerungsvermögen trübte es nicht. Und ihre Sehkraft auch nicht.
Alexeis war da. Seine große Gestalt hob sich als Silhouette gegen die Jalousien ab, durch die hauchfeine Sonnenstrahlen ins Zimmer fielen. Er wirkte angespannt, unnahbar. Ein Fremder.
Aber das war er immer gewesen.
Ein
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