Julia Extra Band 0300
zu werfen. Weil er ihr jetzt schon fehlte, obwohl er noch nicht einmal weg war. Aber das blieb ihr Geheimnis.
Sie lief zum Meer hinunter, schüttelte ihre Sandaletten von den Füßen und vergrub ihre Zehen im warmen weißen Sand. Seltsam. Obwohl sie ihr ganzes Leben hier verbracht hatte, wurde ihr jetzt zum ersten Mal bewusst, dass sie die Wunder der Natur direkt vor ihrer Haustür nie richtig zu schätzen gewusst hatte. Simone beobachtete, wie die flachen klaren Wellen ihre Füße überspülten. Das Wasser war warm und sinnlich. Plötzlich wuchs ihre Sehnsucht nach Cade ins Unermessliche.
In wenigen Stunden würde er im Flugzeug nach Europa sitzen. Sollte sie ihn vielleicht doch begleiten? Sich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie weit er es gebracht hatte? Sie fühlte sich hin und her gerissen. Einerseits wäre sie gern mitgefahren, andererseits wusste sie, dass ihre Mutter sie brauchte … und dass sie selbst ihre Mutter brauchte. Weil sie sich von Pamela einen Rat erhoffte, und zwar in einer überaus ernsten Angelegenheit, die keinen Aufschub duldete. Außerdem brauchte sie die Zeit ohne Cade, um eine schwere Entscheidung zu treffen.
Als Simone im Pflegeheim ankam, erschrak sie. Sie hatte zwar gewusst, dass Pamela sich eine Virusgrippe eingefangen hatte, aber nicht, dass es ihr so schlecht ging. Besorgniserregend blass lag ihre Mutter im Bett. Aber sie setzte ein tapferes Lächeln auf, als Simone das Zimmer betrat.
„Oh, Liebes, wie schön dich zu sehen! Was macht dein Knöchel?“
„Danke, schon viel besser“, erwiderte Simone. „Aber du siehst elend aus. Ist es so schlimm?“
„Diese Grippe setzt uns allen zu. Aber keine Sorge, das wird schon wieder. In ein paar Tagen bin ich wieder fit.“
„Fit“ wäre selbst im besten Fall eine schamlose Übertreibung, sonst müsste Pamela nicht in einem Pflegeheim leben. Aber das behielt Simone für sich. Sie nahm sich vor, sich später bei der Heimleitung nach dem Gesundheitszustand ihrer Mutter zu erkundigen.
„Was macht Cade? Du wolltest ihn doch mitbringen.“
„Sein Flugzeug startet wahrscheinlich in dieser Minute. Er wird in England gebraucht, um irgendeine Managementkrise zu lösen oder so.“ Simone machte eine Pause und fügte dann hinzu: „Er wollte mich unbedingt mitnehmen.“
„Und? Hattest du keine Lust?“
„Nein, auf keinen Fall. Oder hätte ich dich in diesem Zustand vielleicht allein lassen sollen?“ Simone hörte, dass ihre Stimme leicht schrill klang.
Ihre Mutter musterte sie nachdenklich. „Dann war ich also die Ausrede?“
„Oje, du kennst mich einfach zu gut“, seufzte Simone.
„Ich bin eben deine Mutter. Also sag schon, was ist los?“
„Es sieht ganz danach aus, als ob ich mich wieder in ihn verliebt hätte“, gestand Simone schnell, bevor sie es sich anders überlegen konnte.
„Ah.“ Ihre Mutter wirkte kaum überrascht. „Und? Ist das schlimm?“
„Ja, sehr schlimm sogar. Weil er immer noch darauf aus ist, mich zu bestrafen.“
„Dich zu bestrafen?“, fragte Pamela verständnislos. „Was meinst du damit?“
Erst in diesem Moment merkte Simone, dass sie sich verplappert hatte. Von ihrer Abmachung mit Cade hatte sie Pamela natürlich nichts erzählt. „Na ja, er will schließlich auch etwas davon haben, dass er die Firma saniert, weißt du. Darum kommandiert er mich ständig herum, einfach nur, um mich zu demütigen. Weil er immer noch denkt, dass ich ihn damals reingelegt habe.“
„Du lieber Himmel, du solltest mir wirklich erlauben, mit ihm zu reden“, beschwor Pamela ihre Tochter, sichtlich schockiert. Sogar ihre Wangen nahmen wieder ein bisschen Farbe an. „Das kann er doch nicht machen! Ich wusste gar nicht, dass er so nachtragend ist. Dabei ist er doch inzwischen so ein erfolgreicher Geschäftsmann. Ich muss diese unselige Geschichte unbedingt richtigstellen.“
„Ich fürchte, das ist längst noch nicht alles“, gestand Simone leise und schloss die Augen. Sie musste es hinter sich bringen, bevor sie auf die Idee kam, doch noch zu kneifen. „Es gibt da noch etwas, es ist …“ Sie machte eine Pause und nahm einen zweiten Anlauf: „Also … ich glaube, dass ich schwanger bin … von ihm.“
Anfangs hatte sie das Ausbleiben ihrer Periode auf ihren psychischen Zustand geschoben, und nach dem Sturz hatte sie ihre morgendliche Übelkeit einer möglichen leichten Gehirnerschütterung zugeschrieben. Doch inzwischen hatte sich ein weit ernsterer Grund aufgedrängt.
„Ach herrje! Ich wusste
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