Julia Extra Band 0300
ihrer Hüften war perfekt und wurde von den wunderbar geformten, langen Beinen ergänzt. Ihre Haut, die sein Bruder auf dem Foto berühren durfte, wirkte zart und irgendwie durchscheinend.
Sicherlich fühlte sie sich schön warm und weich an, und es wäre ein Genuss, sie zu … Trotzdem durfte er nicht zulassen, dass sein jüngerer Bruder seine Pflichten vergaß. Tariq legte das Foto zur Seite, und seine Züge verhärteten sich wieder. Hätte sich Khalid absichtlich auf die Suche nach der unpassendsten Braut auf der Welt gemacht, hätte er keine Bessere finden können als diese Rothaarige?
Sie besaß keine Familie. Auf ihrer Geburtsurkunde stand nicht einmal ein Vater. Doch dafür konnte sie ja nichts. Höchst bedeutsam war für Tariq allerdings, dass sie es nach dem Tod ihrer Mutter bei keiner der zahlreichen Pflegefamilien ausgehalten hatte. Dieses Muster setzte sich in ihrem Erwachsenenleben fort. Sie war auf der ganzen Welt herumgekommen und hatte mal hier und mal da gearbeitet. Was an sich ja noch kein Vergehen darstellte. Aber sie hielt es auch nirgendwo lange genug aus, um Wurzeln zu schlagen. Es war völlig undenkbar, dass eine solche Frau der Rolle einer arabischen Prinzessin gerecht wurde.
Tariq wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Anwalt zu. „Die Rothaarige natürlich“, sagte er dann und schob das Foto zurück in die Brusttasche seines Anzugs, bevor er sich durch das dunkle Haar fuhr. Den Blick aus nachtschwarzen Augen ließ er dabei zum Fenster gleiten. Es war geschlossen, und er spürte einen Anflug von Klaustrophobie aufkommen, wie so oft in London oder irgendeiner anderen Großstadt.
Zu Hause standen die Fenster immer weit offen, damit der warme Wüstenwind hineinwehen konnte. Sein Büro befand sich im höchsten Turm des Palastkomplexes, sodass man einen Rundumblick über die Altstadt hatte, an die sich der moderne Teil mit seinen glänzenden Glasfassaden anschloss. Dahinter konnte man sogar noch die Wüste und die Bergkämme erkennen.
Ganz allmählich löste sich jetzt die Verspannung zwischen seinen Schulterblättern, die sich aufgebaut hatte, seit er zufällig erfahren hatte, dass sein Bruder eine Ehe mit einer Frau aus einem anderen Kulturkreis eingehen wollte – ein Vorhaben, das nur in der Katastrophe enden konnte.
Heute Abend würde er, Tariq, nach Hause zurückkehren und von seinem Büro aus zusehen, wie die Sonne unterging. Sein Leben lang hatte er großartige Sonnenuntergänge über der Wüste beobachtet und war deren nie überdrüssig geworden. Der Anblick des scheinbar entflammten Horizonts berührte etwas in ihm und erinnerte ihn jedes Mal aufs Neue an die Liebe, die er zu seinem Land und seinem Volk verspürte. Sie war einfach Teil von ihm.
„Wie gesagt, schicken Sie die Frau herein, sobald sie ankommt“, bat Tariq erneut den Anwalt, der sich gerade zum Gehen wandte. Je früher er dieser gefühlsduseligen und unpassenden Romanze ein Ende bereitete, desto besser.
Während er nachdenklich einen Finger an seine markant geschwungene Nase legte, spürte er, wie die Verspannung zurückkehrte. Verdammt, Khalid! Was hatte seinen sonst so vorsichtigen und umgänglichen Bruder bloß zu den geheimen Heiratsplänen bewogen?
Als ihre Mutter, selbst eine Engländerin, beschlossen hatte, dass ihr die Freiheit wichtiger sei als ihre Kinder, war Khalid drei gewesen. Noch Monate danach war er jede Nacht zu ihm, Tariq, ins Bett gekrochen und hatte sich in den Schlaf geweint. Wie konnte ein Mensch, der selbst als Kind unter einer Multikulti-Beziehung gelitten hatte, daran denken, ebenfalls eine Frau aus einem fremden Land zu heiraten? Begriff er denn nicht, dass es unmöglich war, zwei Kulturen zu verbinden?
Vielleicht, überlegte Tariq weiter, handelte es sich dabei ja um eine Art genetischen Defekt. Ihr Vater war für seine Strenge und Vernunft bekannt. Er hatte nur in einem Punkt unerklärliche Schwäche und mangelndes Urteilsvermögen gezeigt: in der Liebe zu Frauen.
Nun, dachte Tariq, wenn das wirklich ein genetischer Defekt war und er sich in ihm selbst zeigen sollte, wäre er ganz sicher in der Lage, ihn zu unterdrücken. Tariq war stolz auf seinen eisernen Willen. Es würde ihm überhaupt nicht in den Sinn kommen, einem so selbstsüchtigen Impuls wie der Liebe nachzugeben. Er hatte zwar nicht vor, in naher Zukunft zu heiraten, aber wenn er sich irgendwann einmal binden sollte, kam nur eine Frau infrage, die in der Lage war, sich an die neuen Lebensumstände anzupassen.
Ja, wenn
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