Julia Extra Band 0301
gestern Abend gefallen?“
„Sehr sogar. Vielen Dank für die Einladung.“
„Sie haben sich gar nicht von mir verabschiedet.“
„Sie schienen alle Hände voll zu tun zu haben, und ich habe mich irgendwann einfach davongeschlichen.“
„Sie hätten noch bleiben sollen. Da gab es einige Leute, die ich Ihnen gern vorgestellt hätte. Wir sind danach noch zum Dinner gegangen. Sie hätten sich uns anschließen können.“
„Das ist lieb von Ihnen, Gianluca, aber ich musste noch Schreibkram erledigen.“
Gianluca zog die Augenbrauen zusammen. Es gefiel ihm nicht, wenn man ihn lieb nannte. Dieser Begriff passte zu Männern, die sich die Fingernägel maniküren ließen und in der Lage waren, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Wieder einmal dachte er, dass man eigentlich nie wusste, was in Eileen vorging – zumindest konnte man es nicht an diesem unbeteiligten Gesichtsausdruck ablesen, den sie immer zur Schau trug. Ob sie sich wohl absichtlich so geheimnisvoll gab? Oder war das einfach nur eine Maske, die sie bei der Arbeit trug? Und was passierte, wenn man diese Maske abnahm?, überlegte er und fragte dann freundlich: „Wie läuft das Geschäft?“
Sollte sie ihm sagen, dass es geradezu boomte? Dass sein Name ihr einen ganz neuen Kundenkreis beschert hatte? „Oh, ich kann nicht klagen. Ich habe gut zu tun“, erklärte sie schließlich und zog unwillkürlich am Saum ihres Kostümrockes.
Gianluca registrierte die unnötige Geste. Ihr Rock war wohl kaum unanständig kurz zu nennen, und jetzt bedeckte er wieder das Stückchen Knie, das er zuvor freigegeben hatte. Wusste Eileen denn nicht, dass Männer gern Frauenbeine betrachteten? Sie war immer so bieder, dachte er ungeduldig. Selbst am vergangenen Abend hatte sie ein Kleid getragen, in dem sie steif wirkte – ja, es war der Veranstaltung angemessen gewesen, hatte aber trotzdem langweilig ausgesehen.
Gianluca war noch nie einer Frau wie Eileen Armstrong begegnet. Faszinierte sie ihn deshalb so?
Frauen überraschten ihn nur selten. Normalerweise war ihre Reaktion auf ihn vorhersehbar: Sie wollten ihn. Sie wollten sein Geld, seine Lippen und seinen durchtrainierten Körper. Sie wollten seinen Ehering am Finger und seine Babys. Wenn er in ihre Nähe kam, zogen sie alle Register, um ihn auf sich aufmerksam zu machen, mit eng anliegenden Röcken, tief ausgeschnittenen Oberteilen und offenen Haaren, die sie über bloße Schultern fallen ließen. Alle Frauen taten das, nur Eileen nicht.
„Und das gefällt Ihnen, dass Sie immer zu tun haben?“, meinte er jetzt und sah sie fragend an. „Hm, wie sagt man noch auf Englisch, wie ein Hamster im Rad?“
Ob er wohl wusste, dass sie sich unter seinem Blick eher wie eine Maus in der Falle fühlte? Eileen deutete ein Lächeln an. „Es muss einfach sein. Bestimmt wissen Sie am besten, Gianluca, dass Erfolg ohne harte Arbeit nicht möglich ist.“
„Ah, aber man muss auch wissen, wann es an der Zeit ist, ein bisschen zu entspannen“, erklärte er mit seinem italienischen Akzent und zog wieder die Augenbrauen zusammen. „Wann haben Sie sich das letzte Mal ein paar Tage freigenommen?“
„Ich glaube nicht, dass …“
„Wann?“, beharrte er.
„Ich kann mich nicht mehr erinnern.“
„Wie bitte? Dann ist es schon zu lange her.“ Gianluca wandte den Kopf, um aus den riesigen Fenstern des Bürogebäudes zu sehen. „Heute ist so ein schöner Tag“, sagte er und deutete stolz hinaus. „Sehen Sie nur, wie herrlich die Stadt im Sonnenlicht aussieht. So lebendig und sorglos wie … wie ein junges, verliebtes Mädchen.“
Eileen verzog keine Miene. „Ja“, meinte sie dann, „so kann man das wohl auch beschreiben.“
Gianluca zog die dunklen Brauen hoch. „Bleiben Sie noch ein bisschen in Rom?“
„Nein, nur bis morgen. Wir fliegen mit der ersten Maschine zurück“, antwortete Eileen und wünschte, er würde sie nicht mehr so ansehen – so als sei sie irgendeine neue Lebensform unterm Mikroskop, die es zu untersuchen galt.
„Tatsächlich? Wie schade!“ Nachdenklich fuhr er sich mit dem Finger übers Kinn, wo sich bereits wieder ein dunkler Schatten zeigte. Dabei sah er beinah frustriert in ihr blasses Gesicht mit dem reglosen Ausdruck. „Reizt Sie Italien denn gar nicht? Ist Ihnen nach einem so erfolgreichen Vertragsabschluss nicht danach, einmal eine Auszeit zu nehmen – alle Fünfe gerade sein zu lassen und einfach nur die Schönheit dieses Landes zu genießen? Zu feiern?“
„Aber ich habe noch zu
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