Julia Extra Band 0301
sich endlich zusammen. „Danke, dass Sie auf Bea aufgepasst haben, Tyler.“ Ihre Stimme klang höher als sonst. „Das war wirklich nett von Ihnen. Dann lassen wir Sie jetzt in Ruhe arbeiten. Wann kommen Sie heute Abend nach Hause?“
Das klingt viel zu häuslich, tadelte sie sich im Stillen.
„Ich meine, Sie können natürlich kommen, wann Sie wollen, Tyler. Bea und ich brauchen Sie nicht.“ Lieber Himmel, das war ja noch schlimmer, sagte Mary sich. Und versuchte es noch einmal. „Das soll heißen, wir sind mit unserer üblichen Routine beschäftigt.“
Sie hätte sich die Mühe sparen können, denn Tyler ging, völlig ungerührt, zu seinem Schreibtisch, wobei er erklärte, er würde versuchen, gegen sechs Uhr zu Hause zu sein.
Als er um sechs Uhr nicht erschien, war Mary sehr enttäuscht – und deshalb wütend auf sich. Erst eine halbe Stunde später hörte sie die Eingangstür zufallen, und wieder einmal pochte ihr Herz vor Erwartung wie rasend.
„Tut mir leid, dass ich spät dran bin, Mary“, entschuldigte Tyler sich kurz darauf von der offenen Küchentür her. „In der Londoner Niederlassung der Firma gab es ein Problem.“
„Das macht nichts … ich meine, dass Sie später kommen als geplant“, erwiderte Mary fröhlich – und wurde sich schockiert bewusst, wie gern sie zu ihm gegangen und ihn zur Begrüßung leidenschaftlich geküsst hätte.
Das war zu viel. Sie musste unbedingt Abstand zu ihm schaffen!
„Ich bringe Bea jetzt ins Bett“, verkündete sie und hob die Kleine aus dem Stühlchen. „Ist Abendessen um acht Uhr okay?“
„Ja, ist mir recht“, antwortete Tyler.
Ihre plötzlich brüske Art dämpfte seine Stimmung, dabei hatte er sich schon den ganzen Tag aufs Nachhausekommen gefreut. Und darauf, bei Mary in der Küche zu sitzen und ihr zuzusehen, wie sie Abendessen zubereitete und Bea fütterte … Aber er schien ja nicht erwünscht zu sein!
„Dann arbeite ich noch ein bisschen“, informierte er Mary und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück.
Als er gegen acht Uhr – eine bereits geöffnete Flasche Rotwein in der Hand – zur Küche zurückging, kamen ihm schon in der Diele appetitanregende Düfte entgegen. Mary stand am Tresen und schnitt Tomaten in Scheiben. Ihr Lächeln wirkte ein bisschen spröde.
„Kann ich irgendetwas helfen?“, fragte Tyler und stellte die Flasche auf den Tisch.
„Nein, danke, das Essen ist so gut wie fertig“, erwiderte Mary betont kühl.
Sie hatte sich inzwischen einen ernsten Vortrag gehalten über das einzig mögliche Verhältnis zwischen ihr und ihrem Klienten. Denn Tyler war nichts anderes, auch wenn er die Rolle des Liebhabers sehr lebensecht gestaltete. Aber es war und blieb eben nur ein Spiel, das durfte sie nie vergessen.
„So etwas bin ich gar nicht gewöhnt“, meinte Tyler, als er am Tisch Platz nahm. „In der Küche zu sitzen und frisch gekochtes Essen zu bekommen.“
„Und was machen Sie abends mit Ihren Freundinnen?“, fragte Mary unüberlegt und hätte sich dann am liebsten auf die Zunge gebissen. „Ich meine, wenn Sie nicht gerade … Sie wissen schon!“
Tyler konnte doch nicht die ganze Zeit mit einer Frau im Bett verbringen. Oder doch? Eine richtige Geliebte würde nicht in der Küche herumwirtschaften, sondern warm und nackt neben ihm liegen, sich eng an ihn schmiegen, während er die Lippen zu ihren Brüsten gleiten ließ und diese liebkoste … oder sie würde sich über ihn neigen, um seinen festen Körper zu erforschen und so einen Weg zu finden, den wirklichen Tyler Watts hinter der abweisenden Fassade des erfolgreichen Unternehmers zu entdecken und …
„Autsch!“ Mary hatte sich den Finger an der Kasserolle verbrannt und ließ schleunigst kaltes Wasser darüberfließen, um die Bildung einer Blase zu verhindern. Was ließ sie auch ihrer Fantasie freien Lauf?
„Ich gehe mit meinen Freundinnen meistens essen“, antwortete Tyler. „Oder wir wärmen bestenfalls etwas auf, was Mrs. Palmer vorbereitet hat. Von ihr abgesehen hat noch keine Frau für mich gekocht.“
„Nicht mal Ihre Mutter?“, fragte Mary ungläubig. Sie tranchierte den im Ofen gegarten Lammrücken und legte die Scheiben auf zwei Teller, die sie auf den Tisch stellte.
„Ich kann mich nicht erinnern“, antwortete Tyler ausdruckslos. „Sie starb, als ich sechs Jahre alt war. Mein Vater war kein sehr häuslicher Mann. Wir haben von Konserven und Fisch und Chips gelebt.“
Mary tat das Herz weh vor Mitleid mit dem einsamen kleinen
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