Julia Extra Band 0301
üben, was ein normales Paar so tut.“
„Außer miteinander zu schlafen, Mary!“
„Genau!“, bestätigte sie und senkte errötend den Blick.
Mary war überrascht, wie schnell sie sich an das Zusammenleben mit Tyler gewöhnte. Seltsam, dass sie sich einerseits seiner manchmal so unbehaglich deutlich bewusst war, und sie sich andererseits in seiner Gegenwart so wohlfühlen konnte. Meistens hatte sie ihre Gefühle unter Kontrolle, und dann kam es ihr ganz natürlich vor, in diesem Herrenhaus abends am Küchentisch zu sitzen und ausgerechnet Tyler Watts zu erzählen, wie ihr Tag verlaufen war.
Er versuchte jetzt, aufgrund ihrer Anweisungen, einfühlsamer zu sein und zu spüren, was sie wollte, aber es fiel ihm offenbar nicht leicht. Eher fiel er in seine frühere brüske Art zurück, war gereizt und kurz angebunden, ohne jeden Charme.
Kein Mann, bei dem einem der Atem stocken sollte. Und trotzdem wurde ihr jedes Mal seltsam zumute, wenn sie Tyler sah.
Bea liebte ihn. Sie krähte vor Vergnügen, sobald sie ihn sah, und er reservierte sein seltenes Lächeln meistens für sie. Irgendwie hatte sich ergeben, dass er die Kleine fütterte, während Mary kochte. Erstaunlich, dass er so geduldig und sanft mit dem Baby umging – und dabei makellos sauber blieb! Nie geriet auch nur ein Tropfen auf seine teuren italienischen Anzüge.
Nach dem Füttern wurde Bea gründlich sauber gemacht und durfte dann auf Tylers Schoß sitzen, was sie liebte. War sie ausnahmsweise einmal schlecht gelaunt, verstand er es, sie abzulenken und zu amüsieren, bis sie wieder laut lachte.
Wenn Bea im Bett lag, aßen die Erwachsenen, und auf diese Zeit mit Tyler freute Mary sich mehr, als ihr guttat. Zu leicht konnte sie vergessen, dass er nur ihr Klient war. Inzwischen duzten sie sich, obwohl sie lieber beim Sie geblieben wäre, um Distanz zu wahren, aber es hatte sich einfach irgendwann so ergeben.
Sie stimmten bei den meisten Themen nicht überein, oft genug wurden die Diskussionen heftig ausgetragen, aber sie genoss auch das, denn es regte sie nicht auf, sondern an.
Wenn sie und Tyler zusammen lachten, war es beunruhigender als jede Meinungsverschiedenheit. Im Anschluss an solche Stunden konnte sie lange nicht einschlafen und musste sich immer wieder sagen, dass er nicht wirklich nett war, geschweige denn liebenswert.
Und sie war weiterhin nicht der Typ Frau, den er zu heiraten gedachte, denn mit ihr konnte man nicht prahlen. Das durfte sie niemals vergessen.
Das schöne Herbstwetter hielt mehr als zwei Wochen an, dann wachte Mary eines Morgens auf und hörte Regen gegen die Fenster prasseln. Müde stand sie auf und rieb sich die Augen. Bea hatte sich erkältet, und sie hatte nachts vier Mal nach ihr sehen müssen.
Beas Weinen hatte auch Tyler geweckt. Plötzlich hatte er an der offenen Zimmertür gestanden und gefragt, ob er helfen könne.
Das Baby hatte sich gerade übergeben, und Mary hätte eigentlich anderes zu tun gehabt, aber sie fand doch Zeit, seinen muskulösen Oberkörper zu bewundern. Bisher kannte sie Tyler nur in Anzügen, mit blütenweißem Hemd und dezenter Krawatte, jetzt trug er nichts als eine Pyjamahose. Am Kinn hatte er Stoppeln, sein Haar war leicht zerzaust.
Er sah ganz anders aus als sonst – und gefährlich attraktiv. Seine Haut war glatt und gebräunt, seine Muskeln fest und durchtrainiert.
Unwillkürlich stellte Mary sich vor, wie es wäre, ihm die Hand auf die Brust zu legen und … dann schämte sie sich, weil sie offensichtlich eine echte Rabenmutter war! Jede andere Frau hätte an ihr armes krankes Kind gedacht, anstatt sich erotischen Fantasien hinzugeben.
„Ich glaube nicht, dass du viel tun kannst, aber danke für das Angebot“, sagte Mary und wandte den Blick ab. „Tut mir leid, dass wir dich geweckt haben.“
Einen Moment lang blickte er sie eindringlich an. „Dann gehe ich wieder“, meinte er und ließ sie allein.
Wahrscheinlich hat mein Anblick ihn in die Flucht geschlagen, dachte Mary zerknirscht. Sie war natürlich ohne Makeup, außerdem trug sie ihren ältesten, bequemsten und absolut reizlosesten Schlafanzug. In dem sah sie unglaublich rund aus, und sie hatte ihn, wie sie jetzt erst bemerkte, völlig falsch zugeknöpft.
„Was macht es schon, wie ich aussehe?“, fragte sie Bea und zog ihr einen sauberen Strampelanzug an. „Ich werde nie schlank und mondän sein!“
Tylers Frau würde – da ging sie jede Wette ein – sogar um vier Uhr morgens traumhaft schön aussehen, wenn
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