Julia Extra Band 0301
für den Ernstfall.
Er versuchte, sich seine nächste Freundin auszumalen. Sie würde gertenschlank und groß sein, so wie alle seine bisherigen Freundinnen, dazu vernünftig, attraktiv und gepflegt. Sie würde sein Haus nicht mit Babysachen vollstopfen oder ihn kritisieren, weil er ihr nicht genug Aufmerksamkeit schenkte, oder ihn necken, weil er keine Windeln wechseln wollte. Sie würde nachgiebig sein, freundlich und …
Langweilig, warf eine innere Stimme hinterhältig ein.
Nett!, korrigierte er streng. Ja, seine Zukünftige würde einfach perfekt sein. Also sollte er seine Fähigkeiten trainieren, ein guter Partner zu sein.
Mit dem Vorsatz ging er in die Küche. Dort fand er nicht nur Mary, sondern auch Bea, die in einem Kinderstuhl saß und mit dem Löffel auf das Tablett vor sich schlug.
„Schon gut, du bekommst sofort dein Essen“, beschwichtigte Mary sie und zog mit dem Fuß einen Stuhl heran, wobei sie Tyler an der offenen Tür entdeckte. „Ich würde an Ihrer Stelle nur hereinkommen, wenn Sie einen guten Magen haben. Beas Tischmanieren sind kein schöner Anblick.“
„Das riskiere ich“, meinte er und beobachtete, wie die Kleine den Löffel mit Püree an sich riss und es sich übers Gesicht verteilte. Mary hatte offensichtlich nicht übertrieben. Er ging weiter zum Tresen, wo der Wasserkocher stand. „Ich will mir eine Tasse Tee machen. Möchten Sie auch eine, Mary? Oder etwas Stärkeres?“
Mary hätte sonst etwas für einen Gin Tonic gegeben, aber es war noch nicht sechs Uhr, und am Vorabend hatte sie eine halbe Flasche Rotwein in Rekordzeit geleert. Tyler sollte nicht glauben, sie könne sich nicht beherrschen.
„Tee wäre großartig“, sagte sie dankbar und hielt Bea einen weiteren Löffel Püree hin.
„Was geben Sie ihr da?“, erkundigte Tyler sich und schnitt ein Gesicht.
„Hühnchen mit Möhren und Lauch.“
„Das sieht ja ekelhaft aus“, bemerkte er unverblümt.
„Lieber Himmel, und ich habe dasselbe für uns gekocht. Was mache ich denn jetzt?“ Nur mühsam verbiss sie sich ein Lachen.
Tyler merkte es natürlich und lächelte, woraufhin ihr Herz mindestens einen Schlag lang aussetzte. „Bea scheint es zu schmecken“, stellte er dann fest.
Mary betrachtete ihre Tochter, deren Gesicht bis zum Haaransatz verschmiert war. „Ja, aber es wird noch eine Weile dauern, bis wir sie ins Ritz mitnehmen können. Hoffentlich schläft sie heute Nacht durch. Sie hat einen ereignisreichen Tag hinter sich.“
Das Wasser kochte, und Tyler bereitete den Tee. „Haben Sie Bea heute ins Büro mitgenommen?“
„Ja, und sie war wirklich brav. Hoffentlich ist sie das morgen auch.“
„Was steht denn auf dem Programm?“
„Ein Treffen um elf Uhr mit Steven Halliday“, informierte Mary ihn. „Ich hatte gehofft, ich könnte Bea bei Mom lassen, doch die ist momentan damit beschäftigt, ihre Ehe zu retten. Ich weiß, dass sie Bea trotzdem sofort nehmen würde, aber ich möchte Mom nicht noch zusätzlich belasten.“
„Trinken Sie den Tee mit Milch?“, erkundigte Tyler sich und goss, als sie nickte, welche in beide Becher.
„Danke“, sagte Mary, als er ihr den einen reichte. „Meinen Sie, Steven könnte etwas gegen Beas Anwesenheit einwenden?“
„Nicht wenn ich es ihm verbiete“, behauptete er auf seine selbstherrliche Art.
„Das können Sie doch nicht tun!“
„Wieso nicht? Es ist mein Unternehmen. Wenn es Steven nicht passt, kann er sich jederzeit anderswo einen Job suchen. Allerdings könnte Bea Sie zu sehr ablenken, oder?“
„Das stimmt.“ Mary biss sich auf die Lippe. „Es ist ein bisschen spät, um eine Freundin zu bitten, und …“
„Jemand im Büro kann auf Bea aufpassen“, unterbrach Tyler sie. „Es geht ja nur um eine Stunde. Am besten frage ich Carol, meine persönliche Assistentin. Und bevor Sie fragen, Mary: Nein, es wird ihr nichts ausmachen, kurz ein Baby zu hüten.“
„Wir werden ja sehen. Vielleicht schläft Bea, dann brauche ich niemanden zu bemühen.“
Am nächsten Vormittag war Bea jedoch kurz vor elf hellwach. Sie hatte auf dem Weg nach York im Auto geschlafen und wirkte nicht so, als würde sie bald wieder ein Nickerchen brauchen.
„Typisch!“, sagte Mary zu ihr und seufzte.
Kurz danach betrat sie das Gebäude der Watts Holding. Die Rezeptionistin musterte Bea zweifelnd und benachrichtigte Steven Halliday, dass Miss Thomas da sei.
Mary ging mit Bea zum Fenster und betrachtete den Fluss und die Silhouette der Altstadt, die sich darin
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