Julia Extra Band 0301
bückte sich, um ein Paar reich bestickte Pantoffeln hervorzuziehen.
„Ich wünschte wirklich, du würdest mich jetzt allein lassen.“ Sie lief rot an, als sie den Blick in seinen Augen sah.
„Warum?“, fragte er heiser.
„Wie kannst du da noch fragen?“ Frustriert schüttelte sie den Kopf. „Ich wirke doch bestimmt völlig albern in diesem Aufzug.“
„Ja? Und? Ich hab dich schon ganz anders gesehen.“ Er schien es wirklich nicht zu verstehen.
„Was außer einem übergewichtigen und tollpatschigem Ding siehst du denn? Wenn du einen Beweis brauchst, dass Guy sich niemals für mich interessiert hat …“
„Ich will nichts mehr über Guy im Zusammenhang mit dir hören.“ Er runzelte die Stirn. „ Ich war an dir interessiert.“
Dass er die Vergangenheitsform benutzte, war nicht sehr ermutigend. Dennoch … „Also glaubst du mir endlich, dass ich nie mit Guy geschlafen habe?“
„Ja. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum deine Schwester solche Lügen über dich erzählt hat“, gab Lucien zu.
„Das habe ich mich auch oft gefragt. Erst sehr viel später ist mir klar geworden, welche Angst sie gehabt haben muss.“
„Freya und Angst?“ Lucien hielt das für äußerst unwahrscheinlich.
„Freya glaubte, mit Guy würde sie auch alles andere verlieren. Sie wusste, dass Guy sich mir manchmal anvertraute, sie fühlte sich davon bedroht. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mann nicht auch automatisch an Sex dachte, wenn er sich mit einer Frau unterhielt. Doch Guy war nicht nur drogensüchtig, er war auch süchtig nach Perfektion. Die Drogen ließen alles für ihn perfekt erscheinen, bis er dann wieder in seine selbst geschaffene Hölle zurückfiel. Dein Bruder tat mir leid, Lucien, ich wollte ihm helfen. Aber er nahm keine Hilfe an, von niemandem, von mir am allerwenigsten. Denn was Perfektion anbelangt, bin ich ja nun wirklich nicht das richtige Beispiel.“ Er wollte etwas sagen, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Sieh mich doch nur an. Guy hätte sich niemals für mich interessiert.“
Langsam verstand Lucien, wie sie sich fühlen musste. Himmel, wer hatte ihr das nur angetan? Er reichte ihr den Morgenmantel. „Hier, zieh das an. Ich drehe mich auch um.“
Sie konnte sich nicht rühren, weil sie sich so für ihren Körper schämte. Also übernahm Lucien die Aufgabe, ihr den Morgenmantel überzuziehen. Er tat es behutsam, zärtlich, wie bei einem Kind, und Tara hielt die Augen fest geschlossen. Das war das Netteste, was Lucien je für sie getan hatte.
„Besser?“, fragte er, als sie die beiden Mantelhälften fest um sich schlang.
„Mir wird es erst besser gehen, wenn du mich nicht mehr ansiehst.“
„Was stimmt denn nicht damit, dass ich dich ansehe?“
Sie hatte es noch nie gemocht, wenn die Aufmerksamkeit auf ihr lag. „Dann fühle ich mich zu dick“, gestand sie und wandte das Gesicht ab, weil er so perfekt war.
„Dick?“
„Ja, du weißt schon … die überflüssigen Polster.“
Als sie sich ihm wieder zuwandte, lächelte er. „Ich mag deine Extrapolster sehr.“
Und das sollte sie ihm glauben?!
„Da ist nur noch eines …“
„Ja?“ Jetzt würde er also doch mit der Wahrheit herausrücken. Nach außen hin gab Tara sich kämpferisch, doch innerlich war sie längst zu einem Bündel von Unsicherheiten zusammengeschrumpft.
„Löse dein Haar.“ Als sie sich nicht rührte, streckte Lucien die Hand aus und entfernte die Haarspange. Nun fielen die Locken locker auf ihre Schultern, und Lucien lächelte. „Viel besser.“
„Das war’s?“
„Was hattest du denn geglaubt, was ich sagen würde? Tara, du musst aufhören zu protestieren, wenn ich dir sage, dass du schön bist.“
„Schön?“
„Oh, stell dich nicht dumm. Wir wissen doch beide, dass du genau weißt, dass ich das denke.“
In seinen Augen lag gerade genug Wärme, dass sie es tatsächlich glauben konnte. Was sie an die Frage erinnerte, die sie schon längst hätte stellen sollen. „Wieso bist du ins Ankleidezimmer gekommen, Lucien?“
Er schaute sie unverwandt an, und je länger er sie ansah, desto unwichtiger wurde der Grund. Wäre es etwas Dringendes gewesen, hätte er es ihr sofort gesagt.
„Nicht.“ Sie zuckte zusammen, als er ihr über die Wange streichelte.
„Nicht?“, wiederholte er leise.
„Kannst du dir nicht denken, dass ich müde bin?“ Eine schwache Ausrede, denn Lucien brauchte sie nur auf diese Art anzusehen, und schon vergaß sie alle Anstrengungen des Tages.
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