Julia Extra Band 0301
„Ich möchte dir für deine Offenheit und Großzügigkeit danken. Du sollst wissen, wie sehr ich das zu schätzen weiß.“
Lucien hielt seine Miene eisern unter Kontrolle. Sie war so jung und doch schon so ernsthaft, und als sie sich die verschwitzten Strähnen aus der Stirn strich, da wollte er die Hand ausstrecken und in ihre seidigen Locken fassen. Es würde nicht viel nötig sein, um sie beide auf den dunkleren Pfad ihrer Beziehung zueinander zurückzuwerfen. Er wollte sie. Jetzt, in diesem Moment.
„Dein Gepäck ist bereits in deine Suite gebracht worden. Falls du Hilfe beim Auspacken brauchst …“
„Lass mich raten – dann brauche ich nur zu rufen, und sofort wird jemand zu mir hinaufkommen.“
„Richtig.“ Er rieb sich mit dem Daumen über die Bartstoppeln.
„Ich bin sicher nicht der typische Gast, Lucien, an den du gewöhnt bist. Ich habe nicht viel dabei. Ich glaube nicht, dass ich Hilfe brauche, um eine Zahnbürste und eine Garnitur zum Wechseln zu verstauen.“
Sie veränderte sich praktisch vor seinen Augen. Er ahnte, welche Frau sie sein könnte, würde man ihr die Chance bieten.
Die Hausdame wählte diesen Moment, um sie mit der Nachricht zu unterbrechen, dass die Räume für mademoiselle gerichtet seien. Wenn mademoiselle ihr bitte folgen wolle …
Und während Lucien den beiden nachsah, wie sie plaudernd und lachend davongingen, da dachte er, dass die beiden Frauen wirkten, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Er hatte seine gestrenge Hausdame noch nie so unbeschwert und gelöst gesehen.
Tara fragte sich besorgt, ob Lucien langsam die Geduld mit ihr verlor. Aber sie wollte unbedingt sein Personal kennenlernen. Es war deutlich zu sehen, dass alle hier nur das Beste über ihn dachten. Liebend gerne würde sie herausfinden, welche Rolle ihnen in Luciens Haushalt zukam. Sicher, sie blieb nicht lange, aber diese Leute würden sich in Zukunft um Poppy kümmern. Bisher war sie absolut beruhigt. Luciens Angestellte waren so ganz anders als die, die für Guy und Freya gearbeitet hatten.
Doch als die Hausdame die hohen Eichentüren zu der Suite, die bereitgemacht worden war, aufstieß, da wurden all ihre Gedanken nebensächlich, und Tara schnappte überrascht nach Luft. Der Luxus war einfach überwältigend!
Sie versuchte, eines nach dem anderen in sich aufzunehmen, als die Hausdame ihr die verschiedenen Räume zeigte. An so viel Platz war sie einfach nicht gewöhnt, ganz zu schweigen von den Kostbarkeiten, die hier überall zu sehen waren. Da gab es wunderbare lange Seidenvorhänge an jedem Fenster, die Wände waren mit Brokat tapeziert. Spiegel mit goldenen Rahmen und wertvolle Ölgemälde hingen überall, den Boden bedeckten kostbare Teppiche. Die Räume waren riesig, und Tara stellte sich unwillkürlich vor, wie verloren und winzig sich Lucien und Guy in diesen Zimmern vorgekommen sein mussten. Sie konnte es vor sich sehen – zwei kleine Jungen, in Seidenpyjama und Morgenmantel, das genaue Abbild des Vaters, mit sorgfältig gekämmten Haaren und Seidenpantoffeln mit besticktem Monogramm. Ob die Jungen sich abends vor dem Zubettgehen vor ihrem Vater hatten verbeugen müssen? Falls ja, musste ihre Kindheit in vieler Hinsicht ebenso einsam und trostlos gewesen sein wie Taras.
„Sagt Ihnen das Bett zu, mademoiselle ?“, fragte die Hausdame, als Tara sich schweigend in dem Schlafzimmer umsah.
Sie strich mit der Hand über die seidene Tagesdecke. „Es ist fantastisch“, erwiderte sie ehrlich und zog die Hand zurück. „Aber … glauben Sie, ich könnte noch ein paar Kissen bekommen?“
„Mais certainement, mademoiselle.“
Die Hausdame musste sie für verrückt halten. Da lagen drei Reihen Kissen am Kopfende des Bettes, und sie fragte nach mehr! Doch die Sofas und Sessel sahen so steif und ungemütlich aus. Tara hatte Pläne, und diese Pläne beinhalteten Kissen und Überwürfe. Für die kurze Zeit, die sie blieb, wollte sie es sich so gemütlich und anheimelnd wie möglich machen.
„Im Garten und im Gewächshaus wachsen Schnittblumen. Wir waren nicht sicher, ob Sie frische Blumen auf dem Zimmer wünschen …“
„Oh, gern!“, rief Tara aus. „Vielen Dank. Und für den Comte auch …“
„Für den Grafen, mademoiselle ?“
„Oder hat er etwa eine Allergie?“
„Meines Wissens nach nicht.“
„Dann auch für den Grafen. Und für das Kinderzimmer. Wenn Sie mir zeigen, was ich pflücken darf, übernehme ich das selbst, um Ihnen nicht noch mehr Mühe zu
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