Julia Extra Band 0301
als hätte sie ihn gebeten, ihr das Salz zu reichen.
Dann erhob er sich abrupt. „Vielleicht sollten wir das besser im Haus bereden, oder?“
Hatte sie eine andere Wahl, als ihm zu folgen? In seinem Arbeitszimmer schloss er sorgfältig die Tür hinter ihnen.
„Jetzt hör du mir bitte zu.“ Mit grimmiger Miene hob er abwehrend beide Hände. „Ohne mich zu unterbrechen.“
Sie fasste es nicht, dass er so mit ihr sprach.
„Ich kann nicht … ich habe niemals geliebt“, setzte er entschieden an. „Ich habe auch nicht vor, jetzt damit anzufangen. Es ist nicht deine Schuld, es ist einfach so. Deshalb bitte ich dich, mir gegenüber nichts mehr von Liebe zu erwähnen.“
„Willst du damit sagen, dass du nicht an die Liebe glaubst? Und dennoch hast du vor, Poppy zu adoptieren?“, meinte sie leise. Sie bebte am ganzen Körper. Angst um die Zukunft des kleinen Mädchens wollte sie ersticken. Und der Schmerz, dass Lucien so gefühllos zu ihr war, ließ sie sich dumm und beschmutzt vorkommen.
„Poppy wird es an absolut nichts fehlen, dafür werde ich sorgen.“ Irritiert schaute er sie an. Scheinbar glaubte Tara seinen Worten nicht. Natürlich, sie legte viel zu viel Wert auf Gefühle. Aber Gefühle lenkten nur ab. Nur weil er eigene Emotionen nicht zuließ, hatte er es bis dahin gebracht, wo er heute stand. Es war auch nicht sonderlich schwer. Er brauchte sich bloß daran zu erinnern, wie der alte Graf ihn immer wieder zurückgewiesen hatte und wie er als Junge damit fertig geworden war. Anders als Guy hatte er nie nach Aufmerksamkeit gesucht, und mit der Zeit waren die Gefühle in ihm abgestorben. Dieses Mal tat er es für Tara. Sie sollte sich keine falschen Hoffnungen machen, er wollte sie nicht in die Irre führen. Es tat ihm nur leid, dass er es schon viel zu weit hatte gehen lassen. „Schließlich liegt uns beiden an Poppy.“
Taras Miene war aschfahl, aber sie selbst wirkte gefasst. Er war erleichtert, dass sie so schnell ihre Haltung zurückgefunden hatte und seine Eröffnung relativ gut aufzunehmen schien.
„Nein, Lucien. Du hast soeben selbst zugegeben, dass du unfähig bist, Gefühle für irgendjemanden zu empfinden.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hätte es wissen müssen.“
„Was hättest du wissen müssen?“
Sie sah ihn geradewegs an. „Dass der Mann, der ein kleines Vermögen auf dem Nachttisch neben dem Bett zurückließ, nachdem er mir die Unschuld genommen hatte und verschwand …“
Lucien unterbrach sie jäh. „Was sagst du da?“
„Du hast mich gehört. Du brauchst dich nicht schuldig zu fühlen, es war meine Entscheidung in jener Nacht. Ich hätte nur erwartet, danach von dir zu hören. Ich wusste nicht, dass es Menschen gibt, die sich so komplett von anderen abschotten können. Diese Nacht war etwas Besonderes für mich. Ich dachte, für dich wäre es ebenso gewesen.“
Er schwieg, musste sich überlegen, welche Worte er wählen sollte, damit sie sich weder falsche Hoffnungen machte noch völlig am Boden zerstört war. „Du irrst, wenn du meinst, diese Nacht hätte mir nichts bedeutet …“, hob er an.
„Wie kannst du das behaupten, wenn du nicht einmal den Versuch gemacht hast, mit mir in Verbindung zu treten?“
„Du weißt so gut wie ich, wie mein Leben verlaufen ist. Ich habe meinen Bruder verloren …“
„Und ich meine Schwester! Bisher habe ich von dir noch kein einziges Wort des Beileids gehört. Wenn es einen juckt, dann kratzt man sich eben, nicht wahr? Mehr als das war es für dich doch nicht, mit mir zu schlafen!“
„Tara!“
„Wieso tust du so schockiert? Du bist derjenige, der diese Nacht auf das Niveau heruntergezogen hat! Aber bei Poppy wird deine kaltschnäuzige Art nicht ausreichen. Sie braucht Liebe …“
„Und die wird sie bekommen.“
„Von dir?“ Sie zuckte leicht zusammen, als sie seinen kalten Blick sah, der sie davor warnte, weiterzusprechen. Wie attraktiv er aussah, und wie kalt sein Herz war. Sie standen einander nahe genug, dass sie seinen frischen Duft wahrnehmen konnte. Er hatte geduscht, das Haar kringelte sich noch feucht um seinen Kopf. Doch war sie klüger, als hier stehen zu bleiben und sich wieder von seinem Zauber einfangen zu lassen. „Aber ich möchte dich nicht weiter aufhalten“, sagte sie und wandte sich zum Gehen.
„Ja, wir reden später darüber.“ Es war wohl besser, abzuwarten, bis sie sich beruhigt hatte.
Tara suchte Zuflucht im Kinderzimmer. Das war der einzige Ort, wo sie das Gefühl hatte,
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