Julia Extra Band 0302
„Klar, er ist ja ein waschechter Fürst.“
Natasha überhörte den sarkastischen Kommentar ihrer Freundin. Ella meinte es nicht so. Der Fürst kam ihr wie gerufen, besser gesagt, wie gerufen für das Hotel.
„Hast du viel über ihn in Erfahrung bringen können?“
Leider nicht, und das beunruhigte sie. Normalerweise wusste sie alles über die Prominenten, die im Telford Towers abstiegen. Schließlich gehörte das zu ihrem Job. In diesem Fall war es sogar noch wichtiger, alle verfügbaren Informationen einzuholen.
„Mir stand nur das Internet zur Verfügung. Viel habe ich nicht über ihn gefunden. Hauptsächlich standen da geografische Angaben zu Calida. Über die Fürstenfamilie habe ich kaum etwas erfahren.“
„Sieht er gut aus?“ Ella stellte sich aufreizend in Positur.
Natasha lachte amüsiert. „Keine Ahnung. Das Foto auf der Website war zu klein und unscharf.“
„Na, ob ich dir das glauben soll?“, fragte Ella neckend, was bei Natasha einen weiteren Heiterkeitsausbruch auslöste.
„Ach, Ella, du bist wirklich zu komisch. Das Foto zeigte einen ernsten Mann in irgendeiner Galauniform. Sehr humorvoll wirkte er jedenfalls nicht. Bist du nun zufrieden?“
Eins war ihr auf dem Bild allerdings doch aufgefallen: Der Fürst hatte wunderschöne blaue Augen. Und die Augen waren doch der Spiegel der Seele, oder?
Zu dumm, dass sie bei Clay nicht so genau darauf geachtet hatte. Ihrer Familie und ihr wäre einiges erspart geblieben. Durch ihren raffgierigen Exfreund hätten sie fast alles verloren, was ihnen wichtig war.
„Lass dich bloß nicht von ihm herumscheuchen, Natasha. Schließlich machst du nur Vertretung für Harvey und brauchst dir nichts gefallen zu lassen. Auch nicht von einem Fürsten.“
Beruhigend drückte sie Ellas Hand. „Der Fürst ist ein wichtiger Gast für unser Hotel und wird mit Respekt und Diskretion behandelt, so wie jeder andere Hotelgast auch.“
„Das brauchst du mir nicht zu erklären. Ich habe es schon tausendmal gehört.“ Lächelnd stoppte Ella den Redefluss ihrer Freundin. „Jetzt musst du mich leider entschuldigen. Ich muss vor der Mittagspause noch eine Kolumne für meine Gartenrubrik schreiben und einige botanische Zeichnungen anfertigen.“
„Aber wir treffen uns doch auf einen Kaffee im Trevi, oder?“
„Klar. Heute Nachmittag um fünf, wie immer.“ Ella winkte fröhlich und eilte davon.
Natasha sah ihrer schlanken, großen, ganz in Jeans gekleideten Freundin nach. Ihr kastanienbrauner Bob hüpfte bei jedem Schritt. Sie bewunderte ihre schier grenzenlose Energie. Denn sie selbst fühlte sich in letzter Zeit leider sehr gestresst.
Nach einem Blick auf die gold- und silberfarbene Armbanduhr, die sie von ihrem Vater zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte – bevor die Familie in finanzielle Schwierigkeiten geraten war –, überlegte sie, wieso der Fürst sich wohl verspätete. Normalerweise wurde der Zeitplan bei VIP-Besuchen bis auf die Minute eingehalten. Und Adelige achteten sogar ganz besonders auf Pünktlichkeit.
Insbesondere ein Fürst, der keinen Spaß verstand, wenn man dem unscharfen Bild im Internet Glauben schenken wollte.
In diesem Moment knatterte eine blitzblank polierte schwarze Harley-Davidson heran und hielt direkt vor dem Hoteleingang. Hoffentlich ließ Alan, der Türsteher, die Maschine so schnell wie möglich in der Tiefgarage verschwinden. Womöglich gewann der Fürst, der ja nun wirklich jede Minute eintreffen musste, sonst einen völlig falschen Eindruck von dem Hotel.
Nervös schob Natasha erneut die Hotelprospekte hin und her. Als sie aufsah, betrat der Motorradfahrer die Lobby.
Gebannt beobachtete sie ihn.
Der Mann wirkte verwegen – groß, breitschultrig, lange Beine, welliges schwarzes Haar, das vom Helm verwuselt war. Sein Körperbau schien perfekt. Unauffällig ließ Natasha den Blick über das graue Baumwollhemd und die engen Jeans gleiten, atmete tief durch, schloss kurz die Augen und versuchte, sich zusammenzureißen.
Es sah ihr gar nicht ähnlich, Hotelgäste anzustarren, selbst wenn sie so unverschämt attraktiv aussahen wie dieser Traummann. Als sie sich wieder gefasst hatte, schlug sie die Augen auf und fragte sich erneut, wo, um alles in der Welt, der Fürst blieb. Bis zu seiner Ankunft musste sie sich wohl tatsächlich um diesen verwegenen Kerl kümmern. Gerade wollte sie ihn mit ihrem verführerischsten Tonfall fragen, ob sie ihm irgendwie behilflich sein könnte, als er ihr
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