Julia Extra Band 0302
einseitig und sinnlos vor. Unwillkürlich dachte er an das Wochenende in Paris, bevor er ihren Betrug mit dem Armband aufgedeckt hatte. Es waren zwei perfekte Tage gewesen, schöner, als er sich je hatte vorstellen können. Und plötzlich wurde ihm klar, dass er ständig nach einem Grund gesucht hatte, schlecht von ihr zu denken.
Dabei hatte sie die Juwelen wirklich nur verkauft, um ihrer Großmutter zu helfen. Das wusste er inzwischen. Machte sie das jetzt zu einem berechnenden Menschen oder zu einer Heiligen?
Und da gab es noch etwas anderes, das sich in seine Erinnerung eingefressen hatte. Auf Vorschlag seiner Sekretärin hatte er den Flohmarkt in Camden besucht. Und das, obwohl ihm nicht ganz klar war, wonach er eigentlich suchte – bis er es auf einmal fand!
Spät am Abend klopfte er an Jessicas Tür in Shepherd’s Bush, und eine hochgewachsene blonde Frau öffnete ihm die Tür.
„Oh, hallo!“, strahlte sie ihn an.
„Ich würde gern mit Jessica sprechen“, sagte er knapp.
Ihr Gesicht wurde sofort wieder ernst. „Ich gehe und sage ihr Bescheid.“
Er hörte gedämpfte Stimmen und schnitt eine Grimasse. Wenn Jessica glaubte, ihn einfach abwimmeln zu können, hatte sie sich getäuscht. Er würde eher die Tür mit Gewalt eintreten als sich abweisen zu lassen, so viel stand fest.
Und plötzlich stand sie vor ihm – in alten Jeans und einem verwaschenen Sweatshirt.
„Hi, Salvatore“, begrüßte sie ihn. „Was willst du?“
In ihrem leichenblassen, ernsten Gesicht wirkten die grauen Augen noch größer, als er sie in Erinnerung hatte. Und es lag nicht die geringste Willkommensfreude in ihnen, das war offensichtlich.
„Darf ich reinkommen?“, fragte er mit schmalen Augen.
Sie wollte ablehnen und ihm die Tür vor der Nase zuschlagen. Gleichzeitig hätte sie ihn gern am Kragen gepackt und in ihre Arme gerissen, so sehr vermisste sie ihn. Doch sie schaffte es, sich ihren Gefühlszwiespalt nicht anmerken zu lassen.
„Selbstverständlich“, entgegnete sie höflich.
An den etwas schäbigen Raum im Untergeschoss, der wohl das Wohnzimmer der WG war, erinnerte Salvatore sich noch von seinem früheren Besuch bei Jessica.
„Was willst du von mir, Salvatore?“
Spätestens jetzt wurde deutlich, dass sie ihm nicht zu Füßen fallen würde. Aber Entschuldigungen kamen ihm grundsätzlich schwer über die Lippen, und so dauerte es etwas, bis er sich gesammelt hatte.
„Ich weiß inzwischen, dass ich dich beleidigt habe“, begann er schließlich.
Gern hätte sie Einzelheiten gehört, verkniff es sich jedoch, danach zu fragen.
„Dir das Kleid und die Diamanten zu schicken, war nicht gerade ein galanter Schachzug von mir“, erklärte er und lachte kurz auf. „Obwohl du vermutlich die einzige Frau auf dieser Welt bist, die das so empfindet.“ Ungeschickt holte er eine flache Schachtel aus seiner Manteltasche. „Darum möchte ich dir stattdessen das hier geben.“
Reglos starrte sie ihn an. „Ich will es nicht.“
„Nimm es an! Bitte!“
Sein verzweifelter Tonfall machte es ihr unmöglich, ihm die Bitte abzuschlagen. Widerwillig nahm Jessica das Päckchen entgegen und öffnete es, ohne ernsthaft auf eine Überraschung gefasst zu sein. Doch sie erblickte keine lupenreinen Diamanten, sondern einen einfachen milchiggrauen Stein, der an einer Silberkette hing. Er hatte die Farbe eines Flusses und rief Erinnerungen in Jessica wach, die sie krampfhaft zu verdrängen versucht hatte.
Ein dicker Kloß formte sich in ihrem Hals, und sie musste ein paarmal blinzeln, um die Tränen zurückzuhalten. Inständig beschwor sie sich, dass dieses Geschenk nichts zu bedeuten hatte, sondern nur ein weiterer Versuch war, sie zum Umdenken zu bewegen.
„Ich habe mich daran erinnert, dass du Mondsteine magst“, erklärte er hastig und fühlte sich plötzlich so unsicher wie seit Teenagertagen nicht mehr. „Und der da hat mich an die Seine erinnert.“
Einen Moment war sie sprachlos. „Ja“, stieß sie hervor. „Ja, das ist richtig.“ Diese Worte erschienen ihr auf einmal sehr bedeutungsvoll. „Aber warum hast du ihn gekauft?“
Seine Gesichtszüge verhärteten sich. „Weil ich unsere Trennung nicht mehr aushalte. Ich will dich zurück in meinem Leben haben.“
Lange sah sie ihn schweigend an, dann umspielte ein leises Lächeln ihre Lippen. Offenbar hatte Salvatore am Ende doch begriffen, worauf es ihr ankam. Aber es dauerte eine Weile, bis sie diesen Richtungswechsel annehmen konnte. Zu viel war zwischen
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