Julia Extra Band 0302
sie sich ab und nahm einen Schluck Kaffee.
Aimi war sich bewusst, dass sie kurz davor stand, sich Hals über Kopf zu verlieben, ein mehr als beunruhigender Gedanke. Denn seit sie beschlossen hatte, ihr Leben zu ändern, konnte sie für keinen Mann mehr Interesse aufbringen. Sie hatte sich in die Arbeit gestürzt und geglaubt, ihr Schutzwall sei vollkommen undurchlässig. Doch ein paar Minuten in Jonas’ Gegenwart erschütterten diese Gewissheit erheblich. Aimi wehrte sich gegen die Erregung, die er in ihr auslöste, doch ihr Körper hielt sich nicht an die Regeln. Das Einzige, was sie tun konnte, bestand darin, auf ihre Selbstbeherrschung zu achten.
Schließlich bemühte sie sich, wieder an der allgemeinen Konversation teilzunehmen. Paula fragte gerade, ob jemand Lust habe, sie und ihren Mann auf einem Spaziergang um den See zu begleiten.
„Ich würde gern mitkommen“, reagierte Aimi schnell und sah Nick an. „Du auch?“
„Paula ließe mir keine ruhige Minute, wenn ich ablehnte“, antwortete Nick, während er aufstand. Seine Schwester streckte ihm die Zunge heraus.
Aimi machte sich darauf gefasst, dass auch Jonas sich anschließen wollte, doch sie hatte Glück.
Am Wasser war es weitaus kühler, und Aimi genoss die entspannte Atmosphäre.
„Der See war Jonas’ und mein Lieblingsort, als wir klein waren. Manchmal haben wir ein Floß gebaut und gespielt, wir seien Schiffbrüchige“, erzählte Nick, während sie am Ufer entlangschlenderten. „Das war allerdings, bevor er andere Interessen in seinem Leben entdeckte“, fügte er mit einem solchen Seufzer hinzu, dass Aimi ihn fragend ansah.
„Bevor er die Mädchen entdeckte“, fügte Nick erklärend hinzu. „Jede Frau verliebt sich in ihn. Sie sieht in seine Augen, und – zack! – ist es um sie geschehen. Jonas hat noch nie um eine Frau kämpfen müssen. Er kann jede haben.“
Aimi dachte an ihre eigene Reaktion, als sie ihn vorhin zum ersten Mal sah, und erschauerte innerlich. „Kein Wunder, dass du ihn einen Casanova nennst“, stellte sie mitfühlend fest.
Nick lachte. „Er behandelt die Frauen nicht schlecht, aber er zeigt nie wirkliche Gefühle. Er ist mein Bruder und ich wünsche ihm nichts Schlechtes. Doch er könnte eine Frau gebrauchen, die ihm ebenbürtig ist.“
„Ich weiß nicht, warum du mir das erzählst“, fragte Aimi verunsichert.
Nick sah sie prüfend an. „Natürlich weißt du das. Sei vorsichtig, bitte.“
Aimi war gerührt, dass er sich um sie sorgte. Doch das musste er nicht, sie hatte alles im Griff. „Ich schätze, mit mir hätte dein Bruder kein leichtes Spiel“, versuchte sie, ihn und sich selbst zu beruhigen.
Doch Nick war nicht überzeugt. „Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst“, sagte er, und sie lächelte schwach.
„Das werde ich nicht, denn ich habe nicht vor, mich auf ihn einzulassen“, versicherte sie ihm.
Nick verzog das Gesicht. „Ich schätze, das sagen die meisten Frauen am Anfang.“
„Mach dir keine Sorgen um mich. Ich bin immun gegen Männer wie deinen Bruder.“
Nick sah sie lange an. „Ich hoffe, du hast recht“, sagte er nur. Schweigend setzten sie ihren Weg fort.
2. KAPITEL
Als Aimi später allein in ihrem Schlafzimmer war, öffnete sie, in der Hoffnung auf eine frische Brise, als Erstes weit die Fensterflügel. Doch die Luft, die hereinströmte, war ebenso heiß wie in den Räumen. Aimi streifte ihre Schuhe ab und löste die vielen kleinen Nadeln, mit denen sie ihr Haar hochgesteckt hatte. Ihre blonden Locken fielen in üppiger Pracht auf ihre Schultern und umrahmten ihr Gesicht. Aimi genoss es, das weiche, lange Haar zu spüren. Dennoch würde sie es auch morgen wieder hochstecken. Die Frisur gehörte untrennbar zu ihrem strengen, unnahbaren Erscheinungsbild.
Aufmerksam betrachtete sie ihr Spiegelbild und war irritiert, wie jung und lebhaft sie mit offenem Haar wirkte – beinahe sorglos. Aber diese Frau im Spiegel war sie nicht mehr. Und sie würde es auch niemals wieder sein. Das war Teil der Buße, die sie sich selbst auferlegt hatte.
Hastig wandte sie sich ab und ging ins Bad. Nachdem sie geduscht hatte, fühlte sie sich herrlich erfrischt. Mit einem flauschigen Badetuch trocknete sie sich ab, schlüpfte in ein Spitzennachthemd aus kühler Seide und streckte sich auf dem Bett aus. Doch einschlafen konnte sie nicht. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um Jonas. Um jenen ersten Moment, als sie ihn gesehen und die unglaubliche Anziehungskraft gespürt hatte, die von ihm
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