Julia Extra Band 0302
nicht sehen konnte, wusste sie, dass er ihre sah – und wie sie auf ihn reagierte.
Sein Mund verzog sich.
„Sie können gerne alles in aller Ruhe begutachten.“ Er lachte leise und nahm sein Magazin zur Hand. „Aber jetzt erst los mit Ihnen“, fügte er hinzu. „Ari braucht einen Arbeiter.“
Mit steifen Beinen ging Ann davon. Sie verachtete sich selbst für ihre Reaktion.
Aber nicht so sehr, wie sie Nikos Theakis verachtete.
4. KAPITEL
An ihrem Gefühl für ihn änderte sich auch für den Rest des Tages nichts mehr, aber sie ließ sich nichts anmerken, um Ari den Spaß nicht zu verderben, der dann irgendwann aus heiterem Himmel verkündete, hungrig zu sein.
Gemeinsam gingen sie zu einer steinernen Plattform, die in einer schattigen Bucht lag und ein wenig Kühle in der Mittagswärme bot. Gemessen an dem Reichtum der Familie Theakis hätte Ann ein opulentes Menu erwartet. Stattdessen hatte Nikos ein einfaches Mahl mitgebracht, das er nun aus dem Korb holte. Ein frischgebackenes, rundes griechisches Brot, süße, sonnengereifte Tomaten, Fetakäse in Öl, Räucherschinken, eine Flasche gekühlten Weißwein und Obst als Nachtisch. Für Ari gab es ausnahmsweise eine Dose Cola.
„Die ist echt lecker“, erklärte er Ann mit wichtiger Miene. „Tina sagt, die macht meine Zähne kaputt, deshalb darf ich nur wenig davon trinken. Passt du auf mich auf, wenn Tina Dr. Sam heiratet, Tante Annie?“
Die Frage kam so überraschend, dass Ann so schnell keine passende Antwort parat hatte. Stattdessen lieferte sein Onkel eine.
„Deine Tante ist es nicht gewohnt, Kinder um sich zu haben“, sagte er. „Sie wüsste gar nicht, was sie mit dir machen muss.“
Kaum merklich zuckte Ann zusammen. „Dein Onkel hat recht, Ari“, meinte sie sanft. „Ich bin sicher, dass deine Ya-ya ein anderes liebes Kindermädchen findet, das auf dich aufpasst. Außerdem lebt Tina ja nicht weit von dir entfernt, und du kannst sie ab und zu mit dem Motorboot auf Maxos besuchen.“
„Aber das ist nicht das Gleiche.“ Seine kleine Unterlippe zitterte.
„Alles ändert sich im Leben, Ari“, gab sein Onkel zu bedenken. „Manchmal sind wir deswegen traurig, und manchmal glücklich.“ Seine Stimme klang gepresst.
Ari sah zu Ann hinüber. „Aber dass du mich besuchen kommst, ist doch eine glückliche Veränderung. Oder nicht, Onkel Nikki?“
Jetzt schau mal, wie du da wieder raus kommst, dachte Ann.
„Es hat seine Vorteile“,erwiderte er, während er ihr absichtlich einen Blick zuwarf. Schnell griff Ann nach einer weiteren Tomate und biss so fest hinein, dass der Tomatensaft auf ihr T-Shirt spritzte.
„Pfui“, murmelte Nikos gespielt entrüstet. „Jetzt müssen Sie es doch endlich ausziehen.“
Und sie tat es schließlich, denn am Nachmittag wurde es so heiß, dass Ari bald wieder ins Meer wollte. Und da Nikos sich auf einem weißen Handtuch zum Sonnenbaden ausgestreckt hatte, nutzte sie die Gelegenheit, sich bis auf ihren Badeanzug zu entkleiden.
„Gehen Sie nicht zu weit ins Meer“, riet er träge, ohne den Kopf zu heben. „Nicht weiter als bis zu dem Felsen links. Ari weiß, welchen ich meine.“
Schnell jagte sie mit dem Jungen zum Wasser hinunter und genoss die kühle Umarmung des Meeres. Die wilde Planscherei mit Ari lenkte sie von Nikos ab, wobei sie darauf achtete, nicht zu weit hinauszuschwimmen. Als Ari schließlich müde wurde und sie aus dem Wasser wateten, merkte Ann, dass sie beobachtet wurden.
Nikos hatte den Kopf gehoben, die Arme hinter dem Nacken verschränkt und musterte sie von Kopf bis Fuß.
Vergeblich versuchte Ann, sich gleichgültig zu geben, und schaffte es zumindest, Nikos’ Blick zu meiden. Sie nahm Ari die Schwimmflügel ab, rubbelte ihn mit dem Handtuch trocken, während er auf Griechisch auf seinen Onkel einplapperte, ehe er zurück zu seiner Sandburg lief. Ann rieb sich mit Aris Handtuch trocken, dann nahm sie einen Kamm aus ihrer Badetasche und fuhr damit durch ihre nassen Haare.
Nikos saß inzwischen im Schneidersitz da und sah sie mit ein wenig zusammengekniffenen Augen an. Auch wenn sie weiterhin versuchte, ihn nicht zu beachten, schaffte sie es nicht. Er hat sogar schöne Füße, dachte sie gedankenverloren und wandte sich schnell wieder ab. Doch Nikos hatte ihren Blick bemerkt, und ehe sie wusste, wie ihr geschah, kniete er plötzlich bei ihr, nahm ihr den Kamm aus der Hand und beendete ihre Aufgabe.
„Halten Sie still“, befahl er, als sie instinktiv zurückschreckte. Seine
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