Julia Extra Band 0302
Pullover unter ihrem Regenmantel trug.
Wie sollte es auch anders sein? Dies war schließlich keine Arbeit, für die man sich herausputzte – ganz im Gegenteil! Seufzend streifte sie ihre flachen schwarzen Schuhe ab und schloss sie zusammen mit dem Overall und dem Kopftuch im Schrank ein. Danach bürstete sie ihr Haar, das ihr glänzend braun in dicken Strähnen auf die Schultern fiel.
Ein Blick in den Spiegel offenbarte, wie blass sie ohne Make-up wirkte. Glücklicherweise bewahrte Jessica in ihrer Handtasche einen Rest Lipgloss und einen eingetrockneten Mascarastift auf.
Ohne zu zögern machte sie sich zurecht und überlegte dabei, ob ein geschminktes Gesicht möglicherweise einen falschen Eindruck erweckte. Andererseits, eine Frau hatte schließlich ihren Stolz, und wenn sie schon billige Kleider trug, war es kein Verbrechen, trotzdem das Beste aus ihrem Äußeren herauszuholen.
Dass sich zu dieser frühen Feierabendzeit noch keine ihrer Arbeitskolleginnen im Umkleideraum aufhielt, erleichterte Jessica ungemein. Sie wollte nicht, dass jemand sah, wie sie in die Limousine des Chefs stieg.
Bei dem Gedanken daran, was für einen Eindruck das vermitteln würde, errötete sie. In jedem Fall warf es nicht gerade das beste Licht auf Jessicas Charakter …
Aber jetzt blieb keine Zeit für weitere Zweifel. Salvatore hatte sie ausdrücklich gebeten, nicht zu spät zu kommen. Eilig griff sie ihre Handtasche und hetzte nach unten, wo sie durch die Glasscheiben des Hintereingangs schon die schwarze Limousine warten sah.
Ihr Hals fühlte sich plötzlich entsetzlich trocken an, und Jessica schluckte ein paarmal. Es war schon befremdlich für sie, dass jemand diese Art Auto als normales Fortbewegungsmittel empfand. In ihrer Welt mietete man derartige Fahrzeuge höchstens für Hochzeiten oder ähnlich festliche Anlässe.
Wieso muss ich ausgerechnet jetzt an Hochzeiten denken, schoss es ihr durch den Kopf, und sie umklammerte den Riemen ihrer Handtasche noch fester. Vielleicht, weil sich Salvatore heute unerwartet nach ihrem Familienstatus erkundigt hatte? Warum hatte er das getan?
Der uniformierte Chauffeur unterbrach ihre Gedanken, als er tatsächlich die Wagentür für sie öffnete.
„Vielen Dank“, sagte sie atemlos und versuchte, so elegant wie möglich auf den Rücksitz zu gleiten.
Das war kein leichtes Unterfangen, da Salvatore es sich bereits auf der Sitzbank bequem gemacht hatte und sie schweigend beobachtete. Sein Gesicht war reglos, nur in seinen Augen glitzerte es geheimnisvoll.
„Da sind Sie ja“, murmelte er, und merkwürdigerweise klang das beinahe enttäuscht.
In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, und Salvatore fragte sich ernsthaft, ob seine Idee nicht völlig verrückt war. In dem billigen Regenmantel, der ihre zierliche Statur verbarg, und dem blassen Gesicht sah Jessica mehr als unscheinbar aus. Diese junge Frau konnte ihn ganz bestimmt nirgendwohin begleiten. Wer würde schon glauben, dass er sich mit einer wie ihr verabredete? Niemand, der auch nur halbwegs seine fünf Sinne beieinander hatte, soviel war sicher!
Jessica setzte sich kerzengerade auf.
„Ich muss nach Shepherd’s Bush.“ Sie gab dem Fahrer eine kurze Wegbeschreibung, der anschließend die Trennscheibe zum Fahrgastraum schloss und sie mit Salvatore allein ließ.
Dieser unterdrückte ein Grinsen, während er ihre Körpersprache analysierte. Sie war unbeschreiblich nervös, das konnte er deutlich sehen. Glaubte Jessica etwa, er hätte es auf sie abgesehen? Dann überschätzte sie sich um einiges!
„Entspann dich!“, sagte er sanft, und Jessica lehnte sich gehorsam zurück.
Sie konnte noch immer kaum fassen, wo sie sich gerade befand.
„Das ist wirklich alles sehr freundlich von Ihnen“, begann sie. Eine persönliche Anrede kam ihr einfach nicht über die Lippen.
„Kein Problem.“
„Wo leben Sie eigentlich?“, wollte sie wissen. Vielleicht war das eine zu persönliche Frage, aber wer legte die Regeln für ein Treffen wie dieses denn fest? Schließlich konnte sie ihn nicht die ganze Fahrt über verhören, ob er mit ihrer Arbeit als Reinigungskraft zufrieden war.
„Chelsea.“
Natürlich, dachte sie sofort. Das reiche, glamouröse Chelsea mit seinen riesigen weißen Villen und Bäumen voller Kirschblüten.
„Meinetwegen müssen Sie keinen solchen Umweg machen, Sir.“
Unter diesen Umständen war die förmliche Anrede Sir zwar deplatziert, gleichzeitig stellte Salvatore jedoch wohlwollend fest, wie
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