Julia Extra Band 0302
wirklich nicht unbedingt Salsa tanzen müssen!“, warf sie ihr vor. „Nicht in deinem Alter.“
Da kicherte ihre Großmutter verschmitzt. „Ach, Blödsinn, Jessica. Wenn man einmal die sechzig überschritten hat, gibt es fast nur noch Verbote. Du darfst dies nicht, du darfst das nicht. Ich habe schon immer gern getanzt, wie du sehr wohl weißt. Es war dieser Trampel von Tanzpartner, der ist für meinen Sturz verantwortlich!“ Sie hob ihr eingegipstes Handgelenk und schnitt eine Grimasse. „Leider ist es auch noch der rechte Arm. Das bedeutet, ich kann nichts mehr hochheben oder durch die Gegend tragen. Jemand muss meine Einkäufe für mich erledigen.“
Jessica nickte, und ihre Gedanken überschlugen sich. „Und deine Hausarbeit“, fügte sie hinzu und überlegte, inwieweit sie selbst diese Aufgaben übernehmen konnte. Natürlich musste sie die Nacht über hierbleiben. Das wusste Salvatore bereits. Sie hatte bei ihm im Büro angerufen und ihn ziemlich zerstreut vorgefunden.
„Was ist passiert?“, wollte er wissen.
„Meine Großmutter ist schwer gestürzt. Sie hat sich das Handgelenk gebrochen, aber ansonsten ist alles in Ordnung.“
„Das ist gut“, entgegnete er geistesabwesend.
Im Hintergrund hörte Jessica Stimmengemurmel und Telefonklingeln. Sie ging davon aus, dass er im Moment keinen Kopf für ihre familiären Sorgen hatte.
Leider konnte sie sich nicht auf unbestimmte Zeit von der Arbeit freinehmen, um ihre Großmutter zu unterstützen. Man hatte in ihrem Büro gerade erst ein Mädchen aus der Buchhaltung in den Kurzurlaub geschickt, weil deren Vater gestorben war.
„Wir werden jemanden einstellen müssen, der dir hilft“, überlegte sie laut und drückte die Hand der alten Dame. „Ich kenne da eine Agentur.“
Besorgnis trübte die Miene ihrer Großmutter. „Aber das ist zu teuer, Jessica. Jeder sagt das, und wir haben doch gar keine …“
„Oh, doch, wir haben. Und jetzt zerbrich dir nicht den Kopf darüber“, erwiderte Jessica mit fester Stimme. „Ich kümmere mich um alles.“
Denn sie wusste genau, was zu tun war, auch wenn ihr der Gedanke nicht gefiel. Das Armband lag in ihrer Handtasche, damit sie es immer bei sich trug. Niemals hätte sie das kostbare Stück unbeaufsichtigt zu Hause gelassen.
Komischerweise empfand sie die Vorstellung, es loszuwerden, beinahe als Erleichterung. Es besaß eine große und gleichzeitig überhaupt keine Bedeutung. Immerhin war es kein Geschenk der Liebe, sondern nur ein Statussymbol. Sein Wert lag einzig und allein im Preis. Warum sollte Jessica also daran hängen, wenn es ihr doch nur vor Augen hielt, was sie nie von Salvatore bekommen konnte?
Die Summe, die ein Juwelier ihr für das Armband bot, war schwindelerregend hoch.
„Das ist ein ganz besonderes Stück“, bemerkte er nach eingehender Untersuchung und offenbar überrascht, als Jessica ohne zu zögern den genannten Preis akzeptierte. Aber was wusste sie schon über aktuelle Kurse im Diamantenhandel? Sie brauchte Geld, und das so schnell wie möglich. Die Agentur, bei der sie eine Haushaltshilfe engagieren wollte, war renommiert und ziemlich teuer.
„Ich habe jemanden organisiert, der zweimal am Tag vorbeikommt, um dir zu helfen“, erklärte sie kurz darauf ihrer Großmutter. Sie saßen in dem kleinen Landhaus, in dem Jessica den Großteil ihrer Kindheit verbracht hatte. „Es wird für dich gekocht, gewaschen, geputzt und eingekauft. Was immer du brauchst, sag einfach nur Bescheid, und sie nehmen es dir ab.“
„Gütiger! Ab sofort werde ich mir mein Handgelenk öfter brechen lassen.“
„Wag es ja nicht!“
Jessica fühlte sich erschöpft. Es war ungewohnt für sie, in ihrem alten kleinen Bett zu schlafen. Aus dem Zimmerfenster sah sie in den Apfelgarten. Der Himmel war tiefschwarz und gesprenkelt mit leuchtenden Sternen. Es herrschte eine angenehme Stille um sie herum, und die Ruhe war Balsam für Jessicas geschundene Seele.
Am nächsten Morgen wachte sie von Vogelgezwitscher auf und blieb noch lange im Bett liegen, um nachzudenken. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, nach London zu gehen, um dort Karriere zu machen. Zugegeben, sie lebte in einem annehmbaren Haus und hatte gute Aussichten, in ihrem Job befördert zu werden. Außerdem war sie mit einem ganz außergewöhnlichen Liebhaber gesegnet, aber nur für eine kurze Zeit. Und um den Rest zu bestreiten, musste sie rund um die Uhr arbeiten …
Ihre Großmutter bekam Besuch von einer Nachbarin, mit der sie eine
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