Julia Extra Band 0303
sein mag, Sam, mach bitte einen weiten Bogen um ihn. Der Mann hat Armuirn Castle für sechs ganze Monate gemietet und auch noch im Voraus bezahlt! Dafür kann er unsichtbar bleiben, solange es ihm gefällt.“
„Hat der Unsichtbare denn wenigstens einen Namen?“, ließ Sam nicht locker.
„Ich erinnere mich nicht mehr. Irgendetwas Ausländisches … spanisch oder italienisch.“
Als Sam jetzt mit der frischen Bettwäsche und den bestellten Lebensmitteln auf das altehrwürdige Gebäude zueilte, war es bereits nach sechs, und ihr Interesse an dem geheimnisvollen Fremden hatte erheblich abgenommen. Sie hatte zwanzig Betten neu bezogen, etliche Teppiche gesaugt oder ausgeschlagen, ganz zu schweigen vom Fensterputzen und dem Wespenstich, den sie sich dabei einfing!
Jetzt wollte sie nur noch auf schnellstem Weg zurück zur Farm ihres Bruders.
Beim Eintritt in die große Halle mit dem alten Steinboden versuchte Sam, sich mit einem lauten, freundlichen Hallo bemerkbar zu machen, erhielt aber keine Antwort. Deshalb steuerte sie auf direktem Weg die Küche an. Die lag allerdings in tiefstem Dunkel, da die Fensterläden offenbar geschlossen waren. Mit einem unwilligen Laut stellte Sam die Kiste mit Lebensmitteln auf dem Boden ab und tastete nach dem Lichtschalter.
„Du lieber Himmel!“, rief sie entsetzt aus, als das Licht aufflammte und das Chaos sichtbar machte, das sich über den gesamten Raum erstreckte. Überall standen dreckige Teller und Gläser, offene Verpackungen und Dosen herum. Ein kurzer Blick in den Kühlschrank, wo sie laut Clare die frischen Sachen unterbringen sollte, zeigte, dass die meisten Lebensmittel abgelaufen oder bereits verdorben waren.
Mit einem tiefen Seufzer schob sie die Vision von einer Wanne, gefüllt mit duftendem heißen Schaumbad, zur Seite und krempelte die Ärmel auf. Sie war wirklich kein Reinlichkeitsfanatiker und hatte auch für Minimalismus und eine sterile Wohnatmosphäre wenig über, aber das hier war selbst für sie untragbar!
Egal, ob der Mann eine Haushaltshilfe ablehnte, dies war ein Notfall im Interesse der allgemeinen Gesundheitshygiene, die selbst für Sonderlinge galt!
Eine halbe Stunde später war die Küche kaum wiederzuerkennen und Sam stolz auf sich. Mit vor der Brust verschränkten Armen betrachtete sie wohlgefällig ihr Werk. „Ich hoffe nur, er weiß es auch zu würdigen“, sagte sie zu sich selbst.
„Wer, zur Hölle, sind Sie, und was haben Sie hier verloren?“, donnerte eine tiefe Stimme hinter ihr und erschreckte sie fast zu Tode. Mit einem Aufschrei fuhr Sam herum und sah sich dem attraktivsten Mann gegenüber, dem sie je begegnet war. Sie war sich dessen bewusst, dass sie ihn anstarrte wie hypnotisiert, konnte aber nichts dagegen tun.
Und den wütenden Fremden schien das auch nicht im Geringsten zu stören.
Er war sehr groß und muskulös, aber nicht massig, sondern eher athletisch gebaut. Die bronzefarbene Haut verriet den Südländer, ebenso wie der schwache Akzent. Das schwarze Haar fiel ihm tief in die Stirn und war so lang, dass es sich im Nacken kräuselte. Das markante Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen, dem dunklen Bartschatten und der markanten Nase wirkte überwältigend männlich, ja fast piratenhaft. Gemildert wurde der Eindruck allein durch die dichten langen Wimpern, die seine wundervollen Augen umrahmten.
Augen, die einen wie magisch anzogen und in deren schwarzer Tiefe Sam zu versinken drohte.
„Sie sollten mir dankbar sein, anstatt mich anzuschreien, Sir !“, sagte sie streng, um ihrer Verwirrung Herr zu werden. Doch anstatt sich von ihrer berechtigten Forderung beeindruckt zu zeigen, streckte er plötzlich die Hände aus und umfasste so hart ihre Oberarme, dass Sam einen erschrockenen Laut hören ließ. Angesichts seiner grimmigen Miene konnte sie diese Geste kaum als maskulines Interesse werten, weigerte sich aber, ihm ihre aufsteigende Furcht zu zeigen.
Sam schob ihr Kinn vor und bedachte den anmaßenden Fremden mit einem betont kühlen Blick. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich loszulassen, Sir …?“
Über sein dunkles Gesicht huschte ein überraschter Ausdruck, und in der nächsten Sekunde lockerte sich auch sein Griff, aber er hielt sie immer noch fest.
„Wer sind Sie?“, fragte er barsch.
Sam schluckte. Die Situation war so absurd, dass sie momentan eigentlich nur wusste, wer sie nicht war. Nämlich eine Frau, die sich in ihrem bisherigen Leben von Gefahr angezogen gefühlt hatte. Und das war es,
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