Julia Extra Band 0303
faszinierend an.“
Sam biss die Zähne zusammen und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die immer größer werdende Blutlache am Boden. „Und Sie werden bald gar keines mehr haben, wenn Sie so weiterbluten“, sagte sie brüsk. „Ich hole jetzt Ians Erste-Hilfe-Koffer aus dem Landrover, und dann werde ich Ihre Wunde verbinden.“
„Ich brauche keinen rettenden Engel.“
Sam lachte spöttisch. „Keine Angst, Ihnen wird es auf keinen Fall gelingen, den Engel in mir zum Vorschein zu bringen …!“
„Wer ist Ian?“
Sie war schon an der Tür und wandte sich überrascht um. „Der Mann, von dem Sie das Castle gemietet haben.“
Seine Brauen schoben sich skeptisch zusammen. „Und Sie sind mit Ihrem Boss so vertraut, dass Sie ihn beim Vornamen nennen?“
„Oh, wir sind hier nicht so förmlich“, erklärte Sam leichthin. „Eines haben Sie übrigens mit Ian gemeinsam … er denkt auch, ich habe kein eigenes Leben.“ Damit verschwand sie endgültig, um das Verbandszeug aus dem Wagen zu holen.
Natürlich war sie längst über Wills Betrug hinweg und hätte ihren Verlobten selbst in Geschenkpapier verpackt nicht zurückhaben wollen. Dennoch hatte es eine Weile gedauert, sich wieder an den Zustand als Single zu gewöhnen. Geholfen hatte Sam dabei, dass sie sich Hals über Kopf in ihre Arbeit stürzte und die wenig subtilen Kuppelversuche ihres besorgten Bruders so gut wie möglich ignorierte. So war sie zumindest beruflich ein gehöriges Stück vorangekommen.
Inzwischen war sie Will nicht einmal mehr böse. Höchstens sich selbst, weil sie ehrlich geglaubt hatte, dass sich so ein smarter Typ wie er ernsthaft in eine Frau wie sie verlieben könnte. Und die Tatsache, dass er ihr gegenüber nicht aus moralischen Gründen zurückhaltend war, sondern aus mangelndem sexuellen Interesse, hatte auch nicht gerade zu ihrem Selbstwertgefühl beigetragen.
Verstanden hatte sie alles in dem Moment, als sie ihn zusammen mit seiner neuen Frau Gisela sah, in die er offensichtlich Hals über Kopf verliebt war. Eine nordische Schönheit, mit einem Körper, der dazu geschaffen war, jeden Mann in den Wahnsinn zu treiben. Vierzehn Tage nach ihrem Kennenlernen hatte Will seiner neuen Liebe einen Heiratsantrag gemacht.
5. KAPITEL
Der Regen kam jetzt noch stärker aus den pechschwarzen Wolken, die tief am Himmel hingen, und Sam hoffte nur, der angekündigte Sturm würde nicht losbrechen, bevor sie die Farm erreicht hätte. Als Folge eines Unfalls in ihrer Kindheit litt sie immer noch unter einer irrationalen Angst vor regennassen Straßen mit Haarnadelkurven und lautem Donner.
Sekundenlang war Sam sogar versucht, sich in den Rover zu schwingen und die Verarztung des unfreundlichen Mannes im Schloss einfach jemand anderem zu überlassen. Aber nicht zurückzugehen würde auch bedeuten, ihre Angst vor den beunruhigenden Gefühlen zuzugeben, die der attraktive Fremde in ihr wachgerufen hatte.
Die Küche mit dem riesigen Herd war fast so groß wie ein Tanzsaal, schien aber auf die Größe einer Speisekammer zusammenzuschrumpfen, als Sam sie mit dem Erste-Hilfe-Set unterm Arm erneut betrat. Der hochgewachsene Italiener nahm irgendwie den ganzen Raum ein.
„Am besten, Sie setzen sich hin“, riet sie ihm kühl und hätte am liebsten ihren eigenen Rat befolgt, da ihre Knie plötzlich weich wie Pudding waren.
„ Dio mio !“, rief er ungeduldig aus und riss das Geschirrtuch herunter, mit dem er die blutende Hand inzwischen umwickelt hatte. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können, und dann verschwinden Sie endlich von hier!“
„Ah, das ist wohl der sprichwörtliche italienische Charme, von dem ich schon so viel gehört …“ Ihre Stimme verebbte, als sie die klaffende Wunde sah. „Sie brauchen einen Arzt. Ich befürchte, das muss genäht werden.“
„Das Einzige, was ich brauche, ist Ruhe und Frieden“, brummte der Fremde ungnädig. „Also, entweder Sie flicken mich jetzt zusammen, oder Sie verschwinden auf der Stelle.“
Sam seufzte, desinfizierte die Verletzung, drückte den Schnitt zusammen und deckte ihn mit einer sterilen Mullkompresse ab, die sie mit Pflasterstreifen fixierte. Die Atmosphäre zwischen ihnen war angespannt und vibrierte vor Elektrizität, was sicher zu neunzig Prozent an der Gewitterluft und dem heraufziehenden Sturm lag. Woher die restlichen zehn Prozent resultierten, wollte Sam lieber gar nicht wissen.
Als unverhofft ein greller Blitz am Himmel zuckte, konnte Sam einen kleinen Schreckenslaut
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