Julia Extra Band 0303
langsam die Lider. Strahlendes Morgenlicht brach sich auf den Wellen des Ozeans. Straßenhändler spannten Sonnenschirme über ihre Verkaufsstände, Menschen versammelten sich am Strand der Copacabana, um zu arbeiten und zu spielen, Frauen in knappen Bikinis oder auch noch in Abendkleidung von der Nacht zuvor. Die Cariocas ließen sich auf ihrer Suche nach der Lebensfreude durch nichts aufhalten – genau wie Diogo.
Abrupt setzte sie sich auf, als ihr jäh klar wurde, dass sie, den Kopf an seine Schulter gelegt, eingenickt war. „Wie lange habe ich geschlafen?“, murmelte sie.
Er lächelte. „Ungefähr zwanzig Minuten.“
„Oh.“ Ihre Wangen röteten sich. Bei Timothy war sie nie eingeschlafen, kein einziges Mal. Ihre Instinkte waren wirklich völlig unbrauchbar. Bei einem grundsoliden, respektablen Mann schlief sie nicht ein, dafür aber an der Schulter des berüchtigtsten Playboys der westlichen Welt auf dem Rücksitz eines Bentleys! Sie war einfach nur müde, versuchte sie sich zu beruhigen. Mit Beginn der Schwangerschaft war Müdigkeit fester Bestandteil ihres Lebens geworden. Aber warum konnte sie sich dann bei dem grundsoliden Mann nicht entspannen, dafür aber bei dem gefährlichen? Irgendetwas Grundlegendes konnte mit ihr nicht stimmen.
Der Bentley fuhr vor dem Eingang des Carlton Palace vor, ein prunkvolles Luxushotel aus den 1920er Jahren, in dem auch Eigentumswohnungen für die Reichen lagen.
„Kennst du es noch?“
Natürlich erinnerte sie sich. Sie träumte ständig von diesem Ort. Dem Ort, an dem er sie verführt hatte, an dem er sie auch den letzten Rest von Anstand hatte vergessen lassen … Hitze wallte in ihrem Körper auf. „Ja.“
Wenn er sie erst nach oben gebracht hatte, gab es kein Entrinnen mehr. Dann konnte er mit ihr tun, was er wollte. Alles. Sie würde ihm nicht widerstehen können. Er brauchte nur die Hand nach ihr auszustrecken und sie zu nehmen. Sie würde ihn nicht aufhalten können.
Falls sie ihn überhaupt aufhalten wollte.
Diogo stieg aus und kam um den Wagen herum, um die Tür für sie aufzuhalten.
„Du hast gesagt, du bringst mich nach Hause.“ Von der Rückbank schaute sie zu ihm auf. „Das ist nicht mein Zuhause.“
„Ich wünsche mir, dass es das wird.“ Er bot ihr seine Hand. „Aber du bist durchnässt und müde, darüber können wir später reden. Erst brauchst du eine heiße Dusche, etwas zu essen, Ruhe.“ Als sie sich noch immer nicht rührte, fügte er an: „Bitte, erlaube mir, dich mit der Fürsorge zu behandeln, die du verdienst.“
Eine Dusche und Frühstück – das hörte sich an wie das Paradies. Doch es war sein Lächeln, das sie schließlich überzeugte. Dieses Lächeln besaß mehr Macht als alles andere auf der Welt.
Sie betrachtete seine schlanken Hände, seine muskulösen Arme. Die Arme eines Kämpfers. Die Hände eines Mannes, der zu Liebkosungen fähig war, die sie alles vergessen machen konnten.
Sie holte tief Luft. „Na schön.“
Ihre Hand wirkte so klein in seiner großen. Bei der Berührung erschauerte Ellie. Das letzte Mal, als sie in Rio gewesen waren, hatte er Dinge mit ihr gemacht … Allein bei der Erinnerung stockte ihr der Atem.
„Du bist so schön“, hatte er rau gesagt. „Ich sterbe, wenn ich dich nicht haben kann.“ Sie erinnerte sich an seine sinnlichen Küsse, an seine meisterhaften Liebkosungen. Wie er sie gereizt, gelockt, angetrieben hatte, bis schließlich ein Feuerwerk der Lust in ihr explodiert war und sie sich tief seufzend aufgebäumt hatte. Mit seinem Körper hatte er sie auf das Bett gedrückt, so männlich und so unbekannt und fremd … O Dio go, ich liebe dich, ich liebe dich so sehr …
Heute konnte sie kaum fassen, dass sie ihm dies alles vor drei Monaten erlaubt hatte. Er hatte sie derart in einen Rausch der Sinne versetzt, dass sie nur langsam wieder zu sich kam. Als er gemerkt hatte, dass sie noch Jungfrau war, und sich zurückziehen wollte, da hatte sie es nicht zugelassen, sondern ihn festgehalten. Sie hatte ihn nie wieder gehen lassen wollen.
Seit damals war so viel passiert. Sie war schwanger von ihm. Er hatte sie angelogen. Hatte sie ignoriert.
Doch in den Favelas hatte sich etwas geändert. Wieso war er plötzlich wieder zu dem liebevollen und charmanten Mann geworden, an den sie sich so gut erinnerte? Fast so, als würde er sich wirklich etwas aus ihr machen …
Nein! So durfte sie nicht denken! Das waren gefährliche Gedanken, niemand konnte voraussagen, wohin das führte.
Diogo
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