Julia Extra Band 0305
Giselle hielt ihn am Arm zurück.
„Moment …“ , formte sie lautlos mit den Lippen, während sie den Hörer ans Ohr presste. „Okay, Elaine, ich bin in fünf Minuten bei dir“, versicherte sie dann ihrer PA, klappte das Handy zu und steckte es wieder weg. „Du kannst die Hochzeit nicht einfach so absagen, Bryce.“
Hoffentlich klang das nicht zu verzweifelt und emotional!
„Warum nicht? Wir haben sie ja noch gar nicht offiziell bekannt gegeben.“
„Aber … aber Amanda wäre sicher schrecklich enttäuscht!“
„Besser früher als später …“, knurrte er. „Mir ist übrigens sehr wohl aufgefallen, dass du nicht von deiner Enttäuschung gesprochen hast!“
Giselle biss sich auf die Unterlippe. Himmel! Was dachte sich dieser unmögliche Kerl eigentlich dabei? Sollte sie ihm etwa um den Hals fallen, ihm ihre Liebe gestehen und ihn anflehen, sie nicht zu verlassen?
„Natürlich wäre auch ich nicht glücklich darüber“, formulierte sie sorgfältig.
„Weil du dann die Hoffnung auf den begehrten Titel als Kastellanin aufgeben müsstest?“
Giselle hob den Kopf und schob das Kinn vor. „Warum sonst?“
„Fällt dir wirklich kein anderer Grund ein“, bohrte er weiter.
Was wollte er von ihr hören? Dass sie sich mit jedem Tag, den sie gemeinsam verbrachten, weniger vorstellen konnte, ihn jemals wieder zu verlassen? Dass sie ihn allein deshalb unbedingt heiraten wollte? Bryce Laws hatte für sich mit der Liebe abgeschlossen, wie er sagte. Und wenn er auch nur ahnen würde, dass ihre Gefühle …
Langsam schüttelte Giselle den Kopf.
„Tja, dann müssen wir daran wohl noch arbeiten …“, murmelte er, nahm ihr widerspenstiges Kinn zwischen zwei Finger und presste seine Lippen mit warmem Druck auf ihre. Sekundenlang verharrte Giselle wie festgefroren, ehe sie seinen zärtlich fordernden Kuss erwiderte. Zunächst zögernd, tastend, dann mit zunehmender Leidenschaft.
Es dauerte sehr lange, bis sie sich wieder trennten, und als sie einander in die Augen schauten, schien es ihnen beiden zunächst die Sprache verschlagen zu haben.
Prinzessin Giselle erholte sich als Erste. „Was, in Merrisands Namen, war das denn?“, fragte sie bebend.
„Ein Kuss“, klärte sie Bryce mit ebenso unsicherer Stimme bereitwillig auf.
Giselle betastete mit den Fingerspitzen ihre geschwollenen Lippen. „Nicht mal so schlecht …“, stellte sie sinnend fest. „Aber ich glaube, es geht noch besser …“
Bryce grinste. „Aber nicht jetzt, du kleiner Nimmersatt.“ Zärtlich küsste er seine Braut auf die Stirn, um nicht wieder in Versuchung zu geraten. „Im Wald wartet noch eine ganze Herde graziler weiblicher Wesen auf mich, die ich auf keinen Fall enttäuschen darf.“
„Auf gar keinen Fall …“, murmelte Giselle mit geschlossenen Augen und gespitzten Lippen.
„O nein, Prinzessin!“, wehrte Bryce sich lachend gegen den fast unwiderstehlichen Drang, sie erneut in seine Arme zu reißen. „Wenn ich jetzt nicht stark bleibe, hänge ich für immer am Haken!“
Als Giselle langsam die Lider hob, war er verschwunden.
Wenn es doch nur so wäre, dachte sie mit wehem Herzen und wurde sich ganz plötzlich der Tatsache bewusst, dass sie drauf und dran war, den größten Fehler ihres Lebens zu begehen …
Während Bryce sich im Wildgehege seiner täglichen Arbeit widmete, lief Giselle in ihrem Arbeitszimmer auf und ab wie eine gereizte Tigerin.
Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können? Obwohl romantische Happy Ends zwischen Prinzessinnen und ihren Traumprinzen wohl das beliebteste Klischee der Welt waren, wusste sie es aus eigener Erfahrung besser. Als Mitglied einer königlichen Familie die echte Liebe zu finden war ungefähr so aussichtsreich, wie sechs Richtige im Lotto zu tippen.
Sie hatte sich geweigert, Robert zu heiraten, weil sie inzwischen wusste, dass eine Vernunftehe für sie nicht länger infrage kam. Besonders seit sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich verliebt hatte. Deshalb war es umso verwerflicher, Bryce zu einer Verbindung quasi überreden zu wollen, die sie beide nur unglücklich machen konnte. Wenn sie ihn wirklich liebte, musste sie ihn freigeben …
Glücklicherweise ahnte Bryce nichts von den schweren Gedanken seiner Verlobten. Schmunzelnd dachte er an die überraschende E-Mail seines Großvaters, die er in seiner Mailbox vorfand, als er vor etwa einer Stunde nach Hause gekommen war.
Wie es aussah, hatte der alte Despot schließlich doch noch seinen Meister
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