Julia Extra Band 0305
arrogant von ihm anzunehmen, irgendein Mensch sei unversehrt und frei von Altlasten.
Er war es mit Sicherheit nicht.
Doch er konnte seine Last nicht mit Althea teilen. Sie hatte genug mit ihren eigenen Problemen zu tun – wenngleich diese Nacht sie von den quälendsten Geistern ihrer Vergangenheit befreit zu haben schien. Seine Dämonen aber lauerten in jedem Winkel, verfolgten ihn mit hilflos ausgestreckten Händen und flehender Stimme.
Ich brauchte dich, und du warst nicht da. Du hast es ver sprochen. Weißt du noch?
Zornig knallte er das Whiskyglas auf den Beistelltisch. Er wollte nicht daran erinnert werden, wie kläglich er versagt hatte – als Bruder, als Sohn, als Mann.
Und nun als Ehemann.
„Demos?“
Er wusste nicht, wie lange Althea schon in der Tür gestanden hatte, in einem seiner T-Shirts, mit zerzaustem Haar und bloßen Füßen.
„Ich dachte, du schläfst.“
„Ich bin aufgewacht.“ Zögernd trat sie näher. „Alles in Ordnung?“
„Mir geht’s gut.“ Er zwang sich zu lächeln. „Wirklich, bestens.“ Er sah wieder zum Fenster hinaus, während sie auf einer Stuhlkante Platz nahm.
„Und was nun?“
„Wie bitte?“ Er fuhr herum, eine steile Falte über der Nasenwurzel.
„Wie geht es jetzt mit uns weiter?“, fragte sie. Er sah etwas in ihren Augen aufblitzen, das er sofort zu deuten wusste: Entschlossenheit.
Was wollte sie von ihm, und was war er bereit zu geben? Die Antwort stand ihr ins Gesicht geschrieben. Wieder ein Mensch, der ihn brauchte, ihm vertraute.
Ihn liebte.
„Demos?“ Ihre Stimme war weich und voller Sehnsucht. Er wandte sich abrupt ab.
„Wir kehren nach Athen zurück“, erwiderte er schulterzuckend. „Ich kümmere mich um meine Arbeit, und du … kannst tun, wozu du Lust hast.“ Es klang kühl und gleichgültig. Er konnte es nicht ändern.
„Alles, wozu ich Lust habe?“
Er maß sie mit einem finsteren Blick. „Innerhalb eines vernünftigen Rahmens, natürlich. Ich meinte, du kannst studieren oder …“ Ihre ärgerliche Miene ließ ihn verstummen. „Was hast du denn? Das ist mehr, als man dir bisher ermöglicht hat.“
„Ich will nicht, dass du mir etwas ermöglichst. Ich bin kein Hund, dem man einen Knochen vorwirft.“
„Schön“, erwiderte er zornig, „und was willst du?“ Kaum hatte er es ausgesprochen, wünschte er, er hätte es nicht getan. Die alte Althea hätte sich jetzt vielleicht vor der Wahrheit gedrückt, doch diese neue Frau, die über ihre schlimmen Erfahrungen hinausgewachsen war, musterte ihn beherzt lächelnd.
„Gut, dass du fragst.“
Sie erhob sich und kam entschlossen auf ihn zu, kniete sich vor ihn und legte die Hände auf seine Oberschenkel. Ihre Berührung weckte Verlangen in ihm, Wärme, einen Funken Hoffnung. Und doch reagierte er nicht, sah sie nur ausdruckslos an.
„Ich will eine richtige Ehe, Demos, und damit meine ich nicht nur das, was sich im Bett abspielt. Obwohl …“, der Anflug eines Lächelns glitt über ihr Gesicht, „… es sehr schön war. Schöner, als ich es mir je erträumt hätte.“ Bevor er etwas einwenden konnte, legte sie sanft einen Finger an seine Lippen. „Ich rede von einer echten Partnerschaft, von gegenseitigem Geben und Nehmen, vielleicht sogar von Liebe.“
Wieder hob er zu einer Erwiderung an, doch sie presste ihren Finger nur fester an seine Lippen. „Ich weiß, dass du mich nicht liebst, mich vielleicht nicht einmal lieben willst. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich dich liebe, denn bisher glaubte ich, dazu nicht fähig zu sein. Nur deshalb habe ich mich auf diese Ehe eingelassen. Doch jetzt weiß ich, dass ich mehr will. Mehr als ein Leben in Sicherheit und frei von Leiden. Ich will mich wohlfühlen, glücklich sein. Und ich will herausfinden, ob ich dieses Glück mit dir finden kann.“ Sie löste den Finger von seinen Lippen. „Und du mit mir.“
Demos betrachtete sie, wie sie mit hoch erhobenem Kopf vor ihm kniete – stolz, entschlossen und doch anrührend verletzlich. Schmerzliche Sehnsucht stieg in ihm auf. Er sah die Hoffnung in ihren Augen und setzte zum Sprechen an.
Noch wusste er nicht, was er sagen würde.
Ein Piepton zerschnitt die Stille. Althea rührte sich nicht, sah ihn weiterhin unverwandt an, er aber schob sie weg, stand auf und nahm sein Handy vom Tisch. Ein Anruf in den frühen Morgenstunden verhieß nichts Gutes.
Die Nummer auf dem Display war die eines Krankenhauses in Piräus. Demos wusste, was das zu bedeuten hatte. Es war der Anruf,
Weitere Kostenlose Bücher