Julia Extra Band 0309
rief Bruce und holte Cameron unsanft in die Wirklichkeit zurück.
„Was?“, blaffte er zurück.
„Wo zum Teufel warst du in den letzten fünf Minuten? Jedenfalls nicht auf dem Planeten Brisbane.“
Cameron runzelte die Stirn. Bruce hatte recht. Jede freie Minute mit Rosalind zu verbringen, lenkte ihn zwar von seinem Vater ab. Er durfte jedoch nicht zulassen, dass es ihn von allem anderen auch ablenkte.
Seit er gezwungen war, auf eigenen Beinen zu stehen, bedeutete ihm seine Arbeit alles. Sie füllte seinen Tag, und manchmal auch die Nacht. Sie war seine Leidenschaft. Rosalind dagegen war …
„Erde an Cameron“, sagte Bruce kopfschüttelnd.
Cameron schlug sich in Gedanken auf den Hinterkopf. Genug jetzt.
„Ich bin da“, knurrte er. „Macht weiter!“
Bruce lehnte sich an einen Pfeiler und verschränkte die Arme.
„Ich erzählte Hamish gerade von deinem kleinen Stelldichein gestern Abend. Kerzen? Meeresfrüchte?“
Hamish zog seinen Stuhl heran, sodass er Cameron in die Augen sehen konnte. „Bitte sag, dass das nicht wahr ist. Du warst nicht wirklich nach Feierabend ohne Sicherheitsvorkehrungen mit einer Frau hier oben. Nicht einen Monat vor Abschluss der Bauarbeiten.“
Cameron blickte seinem Freund fest in die Augen. Hamish, der ihn seit dem Studium kannte, der ihn seither nur als ehrgeizigen zielstrebigen Unternehmer kannte, hielt dem Blick stand.
„Mein Gott, Cam“, sagte Hamish gedehnt. „Wer zum Teufel ist diese mysteriöse Frau?“
Cameron schloss die Augen und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Stirn. „Niemand, den du kennst. Und damit ist das Thema erledigt.“
„Soll mir recht sein.“ Hamish streckte die Hände in die Luft und sah dann auf seine farbbekleckste Uhr. „Ich muss sowieso los.“
„Wir haben zu arbeiten, Mc Kinnon“, schrie Bruce. „Wo willst du hin?“
„Auf dem Fensterputzerlift wartet jemand auf mich. Sie müsste jetzt im dreißigsten Stock sein. Ich hole nur schnell den Champagner und lege das Gurtzeug an.“
Cameron machte sich nicht die Mühe, etwas darauf zu erwidern. Er stand einfach auf und ging.
„Wo geht er hin?“, hörte er Bruce hinter sich sagen, als er den Fahrstuhl erreichte.
„Wenn er versucht, mir mein Mädchen auszuspannen“, sagte Hamish, „fordere ich ihn bei Tagesanbruch zum Duell heraus.“
Im obersten Stockwerk fand er sich zwischen Glasern, Bauarbeitern und Stuckateuren wieder. Die Geräuschkulisse aus Gesprächen, Hämmern, Bohren und Flüchen verlieh der Baustelle den rauen Charme, der normalerweise belebend auf Cameron wirkte.
Fortschritt. Ehrliche Arbeit, ehrlich ausgeführt von ehrlichen Männern. Im Schweiße ihres Angesichts. Er war stolz auf die Schwielen an seinen eigenen Händen.
Doch als er die Stelle des Penthouse-Stockwerks erreichte, wo Rosalind am Abend zuvor auf einer Kiste gesessen und über seine Stadt geblickt hatte und mit ihrer Mischung aus schonungsloser Offenheit und atemberaubender Schönheit seine ständige Unzufriedenheit vertrieben hatte, verebbte der Lärm.
Er schaute zum Horizont, wo Wolkenstreifen die aufgehende Sonne ankündeten, und genau wie sie gesagt hatte, leuchtete eine Handbreit über dem Horizont die Venus am blassgrauen Himmel.
Irgendwo dort draußen, hinter den Grenzen der Stadt, die er liebte, saß sie jetzt und schaute an genau denselben Punkt am Himmel wie er.
Und während sie sich mit Umlaufbahnen, Gaswolken und dem sich ausdehnenden Universum befasste, dachte er an sie. Daran, dass er sie heute Abend wiedersehen würde. Sie trafen sich zum dritten Mal in drei Tagen, öfter als er sich je mit einer anderen Frau in so kurzer Zeit getroffen hatte. Öfter als er sich je mit Meg oder Dylan getroffen hatte.
Sein schlechtes Gewissen meldete sich. Ausgerechnet die Menschen, die er am meisten liebte, hielt er auf Distanz, im Moment, um sie vor dem Wissen um die Schwäche seines Vaters zu bewahren, das ihn belastete. Doch hatte Rosalind damit recht, dass sie seine Reserviertheit genauso verletzte?
Wenn er sie wirklich sehen wollte, wusste er ja, wo er sie dieses Wochenende fand.
Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was passieren würde, wenn er auf der Geburtstagsparty seines Vaters aufkreuzte. Meg würde ihm kreischend in die Arme fallen und dann versuchen, ihn mit einer ihrer Freundinnen zu verkuppeln. Seine Mutter würde wahrscheinlich weinen.
Beim Gedanken an seine Mutter krampfte sich sein Magen zusammen. Verbittert dachte er
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