Julia Extra Band 0309
küsste ihn auf die Lippen, zärtlich, zögernd, verheißungsvoll, dann stieg sie in den Wagen.
Cameron brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, ehe er um den Wagen herumging, sich auf die Fahrerseite setzte und losfuhr.
Natürlich richtete er seine Konzentration auf den Verkehr, konnte aber Gedanken an den bevorstehenden großen Abend nicht ganz verdrängen. Außerdem ging ihm die Frau neben ihm nicht aus dem Kopf.
Als die Tore des Familienanwesens der Kellys vor ihnen aufragten, war Rosie so nervös, dass sie ihre Zehen kaum noch spürte.
Die berüchtigten Kellys kennenzulernen war nur Teil des Problems. Sie war für Cameron hier, und solange sie sie selbst war und ihn unterstützte, konnte nichts schiefgehen. Doch als er vor ihrer Tür gestanden hatte, so charmant, so sexy, so appetitlich in seinem schwarzen Smoking, da konnte sie den Gedanken, dass es zwischen ihnen eines Tages vorbei war, plötzlich kaum ertragen.
Das Tor öffnete sich, und Cameron glitt hindurch. Die Einfahrt war mit dunkelgrauen Quarzsteinplatten gepflastert, zwischen denen weiße Platten sich als Muster schlängelten. Sie führte um einen makellosen grünen Hügel mit gepflegten Reihen weißer und orangefarbener Rosen herum.
Rosie reckte den Hals. „Ist das etwa eine irische Flagge?“
Cameron musste nicht hinsehen, um zu wissen, was sie meinte. Er verzog den Mund zu einem Lächeln. „Willkommen in Kelly Manor. Hier wird geklotzt, nicht gekleckert.“
Sie fuhren eine lange gerade Eichenallee entlang auf ein dreistöckiges Haus aus dunklem Backstein mit weißen Vorsprüngen zu, das in seinem edwardianischen Stil aussah wie aus einem englischen Historienfilm.
Als Cameron in der kreisförmigen Auffahrt hielt, eilte ein Angestellter herbei, um Rosie die Tür aufzuhalten, und nahm Cameron die Schlüssel ab, um den Wagen Gott weiß wo zu parken, denn es waren weit und breit keine Autos zu sehen.
„Ist es eine Feier im kleinen Kreis?“, fragte sie.
„Natürlich. Nur ein paar hundert der besten Freunde meines Vaters sind geladen.“ Die Bitterkeit in Camerons Stimme war nicht zu überhören.
Rosie hakte sich bei ihm ein. „Du tust das Richtige.“
„Du hast ein großes Herz, Rosalind Harper.“
„Und du bist ein glücklicher Mann, Cameron Kelly. Du hast eine große Familie, die dich liebt. Vermassle es nicht, sonst verzeihe ich dir das nie.“
„Und das wollen wir doch nicht.“ Er drückte ihre Hand, und sie spürte, wie er Kraft aus ihrer Anwesenheit schöpfte. Es war ein berauschendes Gefühl.
Cameron drückte die Klingel, und Rosie atmete tief durch.
„Alles klar?“, fragte Cameron und berührte sie beruhigend am Ellbogen.
Hinter den Lorbeerhecken konnte man in der Ferne Brisbane glitzern sehen. „Alles in Ordnung. Und fürs Protokoll: Die Aussicht von deinem Haus ist viel schöner.“
Cameron lächelte, als sich die vier Meter hohe Eingangstür öffnete. „Ich wusste doch, dass ich dich nicht umsonst mitgenommen habe.“
Die imposante Fassade des Kelly-Anwesens war nichts im Vergleich zu dem Ballsaal, in dem die Feier stattfand.
Rosies kalte Hände umklammerten das schmiedeeiserne Geländer, als sie von der Galerie hinunter auf den Saal blickte.
Mehr als zweihundert Menschen in Abendgarderobe drängten sich in dem riesigen Raum. Der polierte Parkettboden glänzte im Schein von sechs Kronleuchtern, die von der mehrfach gewölbten Decke hingen. In einer Ecke spielte ein Streichquartett, in einer anderen bereitete gerade eine Jazzband ihren Auftritt vor, und überall standen weiße Rosen.
„Komm“, sagte Cameron.
Er nahm ihre Hand und zog sie die Treppe hinunter aufs Parkett, wo schon mehrere Paare tanzten. Er nahm sie in den Arm und zog sie an sich.
Wie ein greller Blitz tauchte vor Rosie eine Erinnerung auf, die sie längst vergessen geglaubt hatte.
Ein Junge aus ihrer Klasse hatte sie gefragt, ob sie mit ihm auf das Schulfest ginge. Jeremy Sowieso. Er war fünf Zentimeter kleiner als sie gewesen und hatte immer Hochwasserhosen getragen. Doch dass überhaupt jemand sie gefragt hatte …
Nachdem sie den halben Abend allein in der aufgekratzten Menge getanzt hatte, blickte sie plötzlich in ein Paar umwerfend blaue Augen, die vor Selbstvertrauen strotzten. Cameron Kelly. Ein Abschlussschüler. Sie hatte ihn angesehen und sich danach gesehnt, wenn schon nicht mit ihm zusammen zu sein, wenigstens so zu sein wie er – selbstzufrieden, vom Glück verwöhnt, respektiert. Er hatte ihren Blick erwidert.
Einen
Weitere Kostenlose Bücher