Julia Extra Band 0313
Gefahr.
Miguel schimpfte über den Verkehr von Cancún nach Merida, der schnell immer dichter wurde. Zudem zerrte Allegras Schweigen maßlos an seinen Nerven. Seit sie das Strandhaus verlassen hatten, saß sie brütend auf dem Beifahrersitz und spielte unablässig mit ihren Fingern.
Er ahnte, was sie beschäftigte – sie bekam kalte Füße, weil sie als seine Frau auf die Hazienda zurückkehrte!
„So still kenne ich dich gar nicht“, sagte er schließlich.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du Lust auf seichtes Geplauder hast.“
Er musste lächeln. Ihre Gespräche waren alles andere als seicht gewesen. Das war eines der Dinge gewesen, die er an ihr geschätzt hatte. Bis sie geheiratet hatten und sie unbedingt einen Job haben wollte.
„Du zeigtest mal großes Interesse an humanitären Organisationen.“
„Tue ich immer noch.“ Sie wurde ein wenig lebhafter. „Ich bewundere die Arbeit, die die ‚Ärzte ohne Grenzen’ leistet.“
„Ja, sie haben viel für die einheimische Bevölkerung getan“, stimmte er zu und verschwieg, dass er ebenfalls seinen Beitrag leistete.
„Stimmt, das habe ich gelesen. Im Februar wollen sie in Guatemala eine neue Mission starten. Ich würde ihnen zu gern meine Arbeitskraft anbieten und mit ihnen in den Dschungel ziehen.“
„Nein!“
Verdattert über seine heftige Reaktion, schaute sie zu ihm hin. „Nein? Was soll das heißen?“
„Nein heißt nein, das muss wohl nicht erklärt werden.“
„Du hast kein Recht, mir zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe.“
„Ich habe alles Recht der Welt!“ Er umklammerte fest das Lenkrad. Wie sollte er ruhig bleiben, wenn sie etwas so Tollkühnes in Betracht zog?! „Ich bin dein Mann.“
Wutentbrannt blickte sie ihn an. „Sicher, wenn es dir in den Kram passt“, meinte sie abfällig. „Bevor die nächste Mission beginnt, sind wir längst geschiedene Leute.“
Trotzdem würde er nicht zulassen, dass Allegra sich als Freiwillige für eine derart gefährliche Sache meldete. Sein Wort galt etwas in diesen Kreisen. Er würde sicherstellen, dass ihr Name nicht in die Freiwilligenliste aufgenommen wurde. Wenn sie unbedingt ihr Leben riskieren wollte, würde sie es irgendwo anders tun müssen.
Diese Entscheidung erst einmal getroffen, beruhigte er sich wieder. Allerdings fragte er sich, warum ihm das überhaupt so viel ausmachte.
Miguel nahm die nächste Ausfahrt und fuhr auf die Landstraße, die in vielen Windungen und Kurven in einiger Entfernung zur Autobahn verlief. Er hoffte, so schneller zu Hause anzukommen. Einst war es ihre Lieblingsroute gewesen, wenn sie von der Hazienda zum Strandhaus gefahren waren. Allegra war damals wissbegierig auf alles gewesen, was sein Maya-Erbe betraf, und er hatte ihr bereitwillig davon erzählt.
„Weißt du noch, wohin diese Straße führt?“, fragte er nun und beantwortete die Frage selbst, bevor sie sich eine neue Lüge ausdenken konnte. „Nach Izmal. Ich habe dich zu einer Kutschfahrt mitgenommen. Wir haben uns die Maya-Lichter angesehen und dann …“
„Ich weiß“, erwiderte Allegra knapp.
Mit einem kurzen Seitenblick stellte Miguel fest, dass sie bleich war wie ein Laken. „Ich fand, es war ein sehr romantischer Ausflug.“ Er war wütend auf sich selbst, dass er es überhaupt erwähnt hatte, und wütend auf sie, weil es sie nicht zu interessieren schien.
Starr blickte sie geradeaus aus dem Fenster. „Ich wollte an jenem Abend die Landstraße nehmen“, sagte sie plötzlich.
„Warum hast du es nicht getan?“
Allegra schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“
Dios mio ! Schon wieder dieser angebliche Gedächtnisverlust! Waren Schuldgefühl und Trauer dafür verantwortlich? Verspürte sie etwa den gleichen quälenden Schmerz wie er? Denn auch ihn traf zum Teil Schuld am Tod ihrer Tochter, auch wenn Allegra den Unfallwagen gefahren hatte. Wäre er zu Hause gewesen, hätte Allegra ihn nicht mit ihrem Kind zusammen verlassen wollen. Wäre er ein aufmerksamerer Ehemann gewesen, hätte sie nicht Trost in den Armen eines anderen gesucht.
Diese Erkenntnis nagte an Miguel, während er weiter Richtung Süden fuhr. Schon bevor er in die Nähe des Regenwaldes kam, wurde der Himmel immer dunkler, und der Wind rüttelte an den Palmen. Der Hurrikan zog schneller herauf als angenommen. Miguel ließ einen erleichterten Seufzer hören, als endlich das reich verzierte Tor der Hazienda Primero in Sicht kam.
Er gab den Code ein, und die Torflügel schwangen ächzend im
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