Julia Extra Band 0313
hatte er Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass sie fast gestorben wäre. Aber das würde ihren Gewichtsverlust erklären und den veränderten Ausdruck in ihren Augen. Wenn sie die Wahrheit sagte, dann bedeutete das, dass seine Mutter ihn angelogen hatte. Aber um seine Mutter würde er sich später kümmern.
Im Moment musste er erst einmal entscheiden, was er mit seiner Frau machen sollte. Er hatte immer geahnt, dass sie einen Hang zum Risiko hatte, deshalb hatte er ja auch einen Leibwächter für sie engagiert, damit sie das Haus nie ohne Begleitschutz verließ. Schließlich hatte er bereits einen Bruder verloren, weil er ihn nicht beschützt hatte. Miguel hatte sich geschworen, dass ihm das nicht auch mit seiner Frau passieren würde, doch dann hatte sie sich von dem Mann verführen lassen.
Er wusste nicht mehr, was er noch glauben sollte. Doch er kannte nur wenige Frauen, die hier in der heißen Sonne stehen und Wasser und Essen an die ländliche Bevölkerung verteilen würden. Seine Mutter auf gar keinen Fall. Das war weit unter der Würde einer noblen Kastilianerin.
Señora Barrosa hatte Vorurteile gegen die einheimische Bevölkerung Mexikos, und wenn er auch wusste, dass Allegra nicht so engstirnig war, so hätte er allerdings nie erwartet, dass sie den Maya aktiv helfen würde. Doch sie war hier, reichte warm lächelnd und völlig natürlich ihre Gaben an die Frauen weiter.
Sie war zwar seine Frau, doch offensichtlich kannte er sie nicht. Auf wundersame Weise fühlte er sich enorm zu dieser Fremden hingezogen, und dieses Mal war es nicht nur körperliche Anziehungskraft. Nein, es ging viel tiefer. Er hatte Angst vor den Gefühlen, die er für diese Frau empfand, Angst davor, erneut die Kontrolle zu verlieren. Angst vor der Liebe, die ihn verletzlich machen würde.
Und deshalb verneinte er seine Gefühle, so groß die Versuchung auch war.
„Kann ich helfen?“, fragte er.
„Ja, gern.“ Allegra schenkte ihm ein Lächeln, bei dem er nicht anders konnte als zurückzulächeln.
Eine gute Stunde arbeiteten sie Seite an Seite, redeten kaum miteinander, sondern nur mit den Maya, die zu dem ángel de la guarda kamen. Allegras Ausstrahlung zog die Menschen an, und als sie einen kleinen Jungen in den Arm nahm und tröstete, weil er von seiner Mutter getrennt worden war, da wusste Miguel, dass er sie zurückhaben wollte. Nicht nur in seinem Bett, sondern als seine Frau in jeder Hinsicht.
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Allegra war seine Leidenschaft und seine Schwäche. Doch er würde nicht wieder ihrem Zauber verfallen und ihr blind glauben.
„Das hätte ich schon früher tun sollen“, stellte sie glücklich fest, als der Junge seine Mutter erblickte und zu ihr rannte.
„In deiner Verfassung wäre es nicht ratsam gewesen“, entgegnete Miguel.
„Nein, wahrscheinlich nicht.“ Verwirrt schüttelte sie den Kopf, als müsse sie eine quälende Erinnerung abschütteln. „Wie lange kommst du schon her?“
Es ärgerte ihn, dass sie ihn in die Position gebracht hatte, mit ihm zu arbeiten und darüber zu reden. „Mein Vater hat mich früher oft mit hergenommen.“
Sie lächelte. „Davon hast du mir nie erzählt.“
„Es bestand kein Grund.“ Er hatte nie vorgehabt, sie in diesen Teil seines Lebens einzuweihen. Hierher zu kommen war seine ganz private Angelegenheit. Weder brauchte noch wollte er Lob oder Applaus für seine Arbeit mit den Dorfbewohnern.
„Wie oft kommst du her?“
„Sooft ich gebraucht werde.“
Plötzlich runzelte sie die Stirn. „Du warst auch hier, als ich an jenem Tag das Haus verließ, nicht wahr?“
„Nein. Damals wurde ich woanders gebraucht.“
Sie sah ihm geradewegs in die Augen. „Ich hätte dich auch gebraucht.“
Er hatte sie ebenfalls gebraucht, doch die Warnung des Arztes hatte ihm eine Heidenangst eingejagt. Ruhe war unerlässlich gewesen in den letzten schwierigen Monaten ihrer Schwangerschaft. Er war aus dem Schlafzimmer ausgezogen, weil er nur so der Versuchung widerstehen konnte. Weil er befürchtet hatte, sich mitten in der Nacht zu ihr zu drehen und sie in seine Arme zu ziehen, ohne sich an ihren Zustand zu erinnern und Rücksicht zu nehmen.
Und sie hatte ihre Koffer gepackt und ihn mit einem anderen Mann verlassen. Oder etwa doch nicht? Wenn er ihr glauben wollte, dann hatte sie nie einen Liebhaber gehabt. Dann gehörte sie noch immer ihm.
Ihm allein!
„Wenn du alles verteilt hast, fahren wir zur Hazienda zurück.“
„Ich dachte, du hast
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