Julia Extra Band 0313
hier noch Arbeit zu erledigen?“
„Etwas viel Wesentlicheres verlangt jetzt meine Aufmerksamkeit“, erwiderte er bestimmt, und bevor sie nachfragen konnte, fügte er an: „Nämlich wir.“
Nach dieser Ankündigung fiel es Allegra schwer, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Was genau meinte Miguel damit? War er etwa bereit, auf seine Rache zu verzichten? Würde er in die Scheidung einwilligen? Er hatte es schon wieder getan – er hatte sie aus seinen Gedanken ausgeschlossen. Und es machte sie maßlos wütend, weil sie schon während ihre Ehe darunter gelitten hatte. Sie wollte mehr für ihn sein als nur die Frau in seinem Bett und die Mutter seines Kindes.
Allerdings hatte sie auch noch etwas anderes als Verlangen zwischen ihnen gespürt, etwas, das tiefer ging und sie als Mann und Frau verband – das leise Flüstern der ewig währenden Liebe.
Doch dieses Gefühl war nicht mehr als ein Windhauch gewesen. Hatte sie es sich vielleicht nur eingebildet? Aber wenn es real gewesen war, was musste dann geschehen, um dieVerbundenheit, wie sie sie am Anfang ihrer Beziehung gespürt hatten, wieder aufleben zu lassen?
Die ganze Zeit während der restlichen Arbeit wanderte Miguels Blick immer wieder hinüber zu Allegra, wie sie den Dorffrauen half. Ihre sonst stets ordentliche Frisur war ein wirres Durcheinander von Locken, ihre Kleidung war verschwitzt und voller Lehm.
Doch nie hatte sie verführerischer ausgesehen.
DieVorstellung, heute Nacht hier im Dorf zusammen mit ihr in eine Hängematte zu sinken, weckte die ursprünglichsten aller Instinkte in ihm. Aber sie hier festzuhalten würde ihre Erinnerung nicht zurückbringen.
Sie mussten sich derVergangenheit gemeinsam stellen.
Er ging zu ihr und war nur wenige Meter von ihr entfernt, als ein junges Paar zusammen mit einer alten Frau aus dem Dschungel hervorkam. Die drei waren am Ende ihrer Kräfte, so als seien sie schon seit Tagen unterwegs. Der junge Mann ging weiter, um mit dem Dorfältesten zu reden, während die Frauen der Alten auf eine Bank halfen.
Es überraschte Miguel nicht, dass Allegra die Erste war, die mit einer Wasserflasche auf die Alte zuging. Einen Moment lang befürchtete er, die Alte würde nichts von einer Engländerin annehmen. Und tatsächlich, sobald sie Allegra erblickte, brach ein aufgeregter Wortschwall aus ihr hervor.
In Miguel setzte der Beschützerinstinkt ein, und er eilte zu Allegra, die unsicher stehen geblieben war. Der junge Mann war ebenfalls aufmerksam geworden und ging auf die Gruppe zu.
Die Alte redete ununterbrochen und sah immer wieder von Allegra zu Miguel. Fassungslos lauschte er ihren Worten, und Allegra war neben ihm bleich geworden.
„Was sagt sie?“, verlangte sie zu wissen.
Intuitiv scheute er davor zurück, es ihr zu übersetzen, doch Lügen wären völlig unsinnig. Man hatte sie beide viel zu lange im Dunkeln gelassen.
„Sie sagt, sie hat den Unfall gesehen.“ Aber es war kein Unfall gewesen, wenn man der Alten glauben wollte.
Der junge Mann stellte sich neben die Alte. „ No! El con ductor se dió la fuga .“ Er sah fragend zu Miguel, als wolle er um Zustimmung bitten, erklären zu dürfen. Als Miguel leicht nickte, fuhr er in Englisch fort: „Es war Fahrerflucht, Señora. Der Wagen hat Sie gerammt, und dann haben Sie die Kontrolle über Ihr Auto verloren.“
Allegra kniff die Augen zusammen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Sie sind sicher, dass er mich vorsätzlich gerammt hat?“
„ Sí, Señora. Es passierte, als Sie gerade die Anhöhe erreicht hatten.“
„Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern“, murmelte sie.
Und zum ersten Mal fragte Miguel sich, ob es nicht vielleicht ein Segen war, dass sie sich nicht erinnern konnte.
„Was ist nach dem Zusammenstoß passiert?“, wandte sie sich frustriert an den jungen Mann.
„Der Fahrer stieg aus und ging zu Ihrem Wagen, um die hintere Tür zu öffnen.“
Wo Miguels Tochter in ihrem Kindersitz in den ewigen Schlaf gefallen war. „Sind Sie sicher, dass er zuerst die hintere Tür öffnete?“
„ Sí . Er hat nur einen kurzen Blick in die vordere Kabine geworfen, hat die Tür wieder zugetreten und ist dann mit seinem Wagen davongebraust.“ Der junge Mann runzelte die Stirn. „Großmutter dachte, er würde Hilfe holen.“
„Aber das hat er nicht“, vermutete Miguel, als eine düstere Ahnung ihn beschlich.
Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Nein. Als ich ins Dorf zur nächsten Polizeistation rannte, hatte niemand den
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