Julia Extra Band 0313
wissen.
Er ließ die Flüssigkeit in seinem Glas kreisen. „Ich könnte demnächst mit dem Training für die neue Saison anfangen, die in einigen Monaten beginnt.“
„Und warum macht diese Aussicht Sie ganz offensichtlich nicht glücklich, Ricardo?“
„Sie stellen eine Menge Fragen, Lyssa.“
„Dass ich neugierig bin, habe ich ja schon zugegeben. Meine bisherigen Fragen haben Sie alle beantwortet. Warum diese jetzt nicht? Haben Sie ein Problem?“
Seufzend lehnte er sich zurück, wobei sich sein T-Shirt straff über die muskulöse Brust spannte.
„Ja, es gibt ein Problem“, gab er zu. „Aber ich will jetzt nicht darüber jammern.“
„Will Ihr Club Sie nicht zurückhaben?“, fragte Lyssa unverblümt.
Kummer blitzte in seinen dunklen Augen auf, und da wusste sie, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
„Das tut mir leid“, sagte sie, von Mitgefühl erfüllt.
„Es ist nicht ganz so einfach“, erklärte Ricardo und stellte sein Glas ab.
Wie sollte er es Lyssa erklären, die sich mit Fußball nicht auskannte? Sie würde ihn bestimmt nicht verstehen.
Er liebte seinen Beruf. Ihn aufzugeben würde nicht nur bedeuten, nicht mehr Fußball zu spielen, nein, es würde sein ganzes Leben ändern. Dazu war er noch nicht bereit.
Seit er erwachsen war, kannte er keine andere Lebensart als die des Fußballers. Training, Match, Party – so lautete die kurz gefasste Formel. Und der Club war eine Art zweiter Familie für ihn.
Sein Onkel und seine Tante hatten sich aufopferungsvoll um ihn gekümmert, aber er war nun mal nicht ihr Sohn! Er war sich immer ein bisschen wie ein Außenseiter vorgekommen. Im Club hingegen waren alle Spieler gleichwertig. Das bedeutete ihm viel.
Dann war da noch die Sache mit den Frauen, von denen er Lyssa aber schon gar nichts erzählen konnte! Sie waren immer verfügbar, hielten sich in der Nähe der Spieler auf, waren zugänglich. Sie kannten das Spiel und seine Regeln.
Und damit meinte er jetzt nicht Fußball!
Den Frauen kam es aufs Prestige an. Sich mit einem Spieler zu zeigen, bedeutete die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen. Außerdem hieß es, Fußballer seien gute Liebhaber, und viele Frauen wollten testen, ob es stimmte.
So kamen bei den flüchtigen Affären immer beide Beteiligten auf ihre Kosten. Was wollte man mehr?
Wie würde es weitergehen, wenn er den Club verließ?
Er würde plötzlich allein sein, so viel stand für ihn fest.
Lyssa sah ihn noch immer forschend an, Mitgefühl spiegelte sich in ihren großen braunen Augen. Dass eine Frau sich dafür interessierte, was er empfand, war neu für ihn.
„Was ist denn so kompliziert?“, hakte sie nach.
„Also, meinVertrag läuft noch. Ich könnte jederzeit zurück.“
„Aber?“
Lässt diese Frau denn nie locker?, dachte Ricardo, insgeheim seufzend, und schickte sich ins Unvermeidliche.
„Ich bin jetzt achtundzwanzig, und mein Knie hat schon einiges abbekommen. Das war jetzt die zweite Operation. Keiner kann genau sagen, wie viel Strapazen es aushält. Es könnte beim ersten Match sozusagen völlig den Geist aufgeben.“
Sie nickte. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich deswegen Sorgen machen.“
„Es geht nicht um meine Sorgen.“ Er seufzte. „Es geht darum, dass die Manager sich fragen, ob sie das Risiko mit mir eingehen sollen. Sie könnten Zeit und Geld ja auch in einen Nachwuchsspieler investieren.“
„Das verstehe ich jetzt nicht.“ Lyssa runzelte die Stirn. „Hat man Ihnen gesagt, dass man Sie nicht zurückhaben will?“
„Nicht direkt. Man hat mir nur nahegelegt , das Ende meiner Karriere ins Auge zu fassen und mich auf meine geschäftlichen Interessen zu konzentrieren“, erklärte er bitter.
„Oje! Und das tun Sie jetzt?“
„Nein!“ Entnervt hob er die Hände. „Ich habe doch schon gesagt, es ist alles nicht so einfach.“
„Das heißt, Sie wollen weiter spielen“, schloss Lyssa scharfsinnig.
„Ich kann den Fußball noch nicht aufgeben“, gestand Ricardo so leise, als würde er eher mit sich selbst reden. „Meine geschäftlichen Interessen waren immer nur eine Nebenbeschäftigung. Sie sind kein Lebensinhalt. Außerdem habe ich ausgezeichnete Geschäftsführer engagiert und werde nicht gebraucht. Im Gegenteil! Ich würde nur im Weg stehen!“
Lyssa ersparte sich die Mühe, banal aufmunternde Worte zu finden. Zu genau erkannte sie sein Dilemma: Er wusste, wie er sich entscheiden sollte, aber er war noch nicht bereit für diesen Schritt. Sein Herz wollte nicht
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