Julia Extra Band 0313
Einchecken verlief reibungslos und schnell, dann hieß es warten, bis der Flug aufgerufen wurde. Ricardo begleitete sie zum Flugsteig.
„Du brauchst nicht bei mir zu bleiben“, meinte sie.
Obwohl sie sich wünschte, er würde ein Leben lang bei ihr bleiben. Aber das konnte nicht sein, warum also den Abschiedsschmerz unnötig verlängern?
Ricardo sah sie seltsam an, beinah so, als würde er ebenso bekümmert sein wie sie, aber das bildete sie sich wahrscheinlich nur ein.
„Ich bleibe“, erwiderte er schroff und setzte sich neben sie.
Schweigend blickten sie auf die Anzeigetafel. Es war nicht das einträchtige Schweigen, das während der Autofahrten manchmal zwischen ihnen geherrscht hatte. Nein, dieses Schweigen war voller Anspannung, es war die Stille ungesagter Worte.
Schließlich räusperte Ricardo sich und begann rau: „Es war nett, deine Bekanntschaft zu machen, Lyssa.“ Er fuhr sich frustriert durchs Haar. „Nein, nett ist nicht das richtige Wort. Es war für mich etwas ganz Besonderes, dich kennenzulernen.“
Sie biss sich auf die Lippe, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Dann erst antwortete sie: „Es war auch für mich etwas ganz Besonderes, dir zu begegnen, Ricardo. Du warst mir eine große Hilfe, bei allem, und ich möchte mich ganz herzlich bei dir bedanken.“
„Nicht nötig“, wehrte er brüsk ab und atmete tief durch. „Lyssa … ich hoffe, dass du ein schönes Leben haben wirst. Dass du glücklich wirst.“
„Danke. Das wünsche ich dir auch. Wofür auch immer du dich entscheidest.“
Er nickte nur.
„Ich wünschte, es wäre alles anders gewesen“, sagte sie spontan und seufzte tief.
„Inwiefern?“, hakte er nach.
Lyssa überlegte. Sie konnte nicht sagen, sie wünschte, sie wäre nicht schwanger, weil das so klang, als wolle sie ihr Baby nicht. Und das stimmte auf gar keinen Fall!
Sie konnte auch nicht sagen, sie wünschte, Ricardo wäre ein anderer, denn sie liebte ihn so, wie er war. Der Fußball hatte ihn zu dem gemacht, der er war, also konnte sie nicht wünschen, er wäre kein Sportler.
Nein, die Frage ist unmöglich zu beantworten, dachte sie schließlich. Sie waren vom Schicksal nicht füreinander bestimmt. Das war die einfache, schmerzhafte Wahrheit.
Schließlich zuckte Lyssa hilflos die Schultern. „Ich weiß nicht.“
Forschend sah er sie an, fragte aber nicht weiter.
Wieder schwiegen sie eine Weile.
„Deine Eltern werden sich vermutlich nicht freuen, wenn du ihnen von dem Baby erzählst“, meinte Ricardo schließlich.
„Richtig. Sie werden von mir sehr enttäuscht sein.“ Lyssa lachte rau. „Aber sie werden sich an den Gedanken gewöhnen müssen. Ich werde ihnen beweisen, dass ich keinen Ehemann brauche.“
„Warum hat dein Freund dich verlassen?“
„Er will keine Kinder. Sich diese Verantwortung nicht aufbürden“, erwiderte sie kurz und bündig.
Hoffentlich verstand Ricardo das nicht als boshaften Seitenhieb, denn auch er wollte ja keine Kinder. Aber er hatte gefragt, also musste er die Antwort hinnehmen.
Er sah aus, als wollte er etwas sagen, doch er kam nicht dazu, weil in dem Moment ihr Flug aufgerufen wurde.
Lyssa stand auf und hängte sich die Handtasche über die Schulter, bevor sie sich Ricardo zuwandte, der ebenfalls aufgestanden war. Kurz sah er so verunsichert aus, wie sie sich fühlte, dann griff er nach ihren Händen.
Sie wich einen Schritt zurück und ballte die Hände zu Fäusten. Zu groß war ihre Angst, dass sie alle Beherrschung verlieren würde, wenn er sie berührte. Und bisher hatte sie sich so gut unter Kontrolle!
Er verringerte den Abstand zwischen ihnen, nahm ihre Fäuste in seine Hände und strich mit den Daumen sanft über die Knöchel.
Das ist das letzte Mal, dass ich seine Hände spüre, dachte Lyssa verzweifelt. Sie öffnete die Fäuste und verschränkte die Finger mit seinen. Diesen einen Moment wollte sie sich noch gönnen.
Tief schaute Ricardo ihr in die Augen, und sie hatte das Gefühl, er könne durch die Schutzwälle hindurchsehen, die sie um ihre Seele errichtet hatte. Unter seinem Blick zerbarsten sie.
Und als er sie an sich zog, ließ sie es zu. Bedeutete es, dass sie noch hoffen durfte? Oder war es nur eine freundliche, freundschaftliche Umarmung zum Abschied?
Ihr Flug wurde zum letzten Mal aufgerufen.
Lyssa löste sich aus der Umarmung und trat einen Schritt zurück.
Ricardo umfasste ihr Gesicht. „Pass auf dich auf, cara !“
„Das tue ich“, versprach sie.
Dann drehte sie
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