Julia Extra Band 0315
ausdrucksstarke Geste mit den Händen, so typisch italienisch, dass sie sich das Schmunzeln verkneifen musste. „Traust du dir so eine Auseinandersetzung wirklich zu?“
„Es muss sein“, erwiderte sie entschlossen. „Ich bin Ehefrau und Mutter. Es wird Zeit, dass ich erwachsen werde und meine Unsicherheiten überwinde. Und den Anfang werde ich bei deiner Mutter machen.“
„Dann gehe ich mit dir.“
„Nein. Du hast mich lange genug beschützt. Dieser Weg liegt jetzt in meiner Verantwortung.“
In der Theorie klang das alles ganz großartig, vor allem, wenn achtzig Meilen Abstand zwischen ihr und ihrer Gegnerin lagen. Doch dann tatsächlich in der Höhle der Löwin zu stehen, war eine andere Sache.
„Danke, dass Sie mich empfangen, Signora Costanzo“, sagte Maeve und musste sich zusammennehmen, um unter dem geringschätzigen Blick ihrer Schwiegermutter nicht im Boden zu versinken. „Mir ist klar, dass mein Besuch unerwartet kommt.“
„In der Tat.“ Mit einem knappen Nicken bedeutete Celeste Costanzo Maeve, sich auf eines der beiden weißen Samtsofas zu setzen, in einem Salon, der pure Eleganz verströmte.
Wie kann sie nur so absolut makellos aussehen, fragte Maeve sich still. In Kaschmir und Perlen gekleidet, war nicht die kleinste Spur von Müdigkeit oder Aufregung wegen des gestrigen Desasters auf ihrem Gesicht zu entdecken. Verschmierte diese Frau nie ihren Mascara? Zog sie sich nie eine Laufmasche zu? War ihre Frisur je etwas anderes als perfekt?
Celeste ließ sich auf dem gegenüberstehenden Sofa nieder, schlug elegant die Beine über Kreuz, faltete die Hände im Schoß und hob stumm fragend die vollendet gezupften Augenbrauen.
Sie würde es ihr also keinen Deut leichter machen. Nun gut. Maeve klaubte alle Courage zusammen und preschte vor. „Vorab sollte ich sagen, dass ich mich wieder erinnern kann. Mein Erinnerungsvermögen ist vollständig zurückgekehrt.“
„Dann muss man wohl gratulieren.“
Könnte diese Frau denn nicht wenigstens einen Zentimeter nachgeben? Nur ein winziges Stückchen … Maeve unterdrückte den Seufzer. „Ich verstehe Ihre Bedenken hinsichtlich meiner Person, signora . Ich bin, wie Sie selbst immer wieder scharfsinnig bemerkt haben, ein Niemand, und Dario ist ein reicher Mann.“
„Worauf zielst du ab, Maeve?“ Nichts an der eisigen Kälte hatte sich verändert. „Erwartest du von mir, dass ich dir für deine Unzulänglichkeiten vergebe?“
„Nein“, erwiderte Maeve mit fester Stimme. „Denn ich habe nichts getan, was Vergebung nötig machen würde. Ich habe Ihnen einen wunderschönen Enkel geschenkt, und er sollte wettmachen, was immer Sie an Antipathie für seine Mutter empfinden.“
„Warum bist du dann hier?“
„Um eine Klärung zu erreichen, ein für alle Mal. Es geht nicht darum, wer ich nicht bin, sondern wer ich bin. Ich habe nie vorgegeben, aus denselben privilegierten Kreisen wie Dario zu stammen. Doch weder bin ich dumm noch schäme ich mich für meinen Hintergrund. Ich kenne den Unterschied zwischen richtig und falsch, und mein Sinn für Anstand und Fairplay ist bestens ausgebildet.“
„Und du legst deine Seele vor mir bloß … weil?“
„Weil ich, ob Sie mir glauben oder nicht, nie eine Affäre mit Yves Gauthier hatte. Wir kamen beide aus Kanada, das war unsere einzige Verbindung. Ich liebe Dario, habe ihn vom ersten Tag an geliebt, und werde ihn immer lieben. Wir haben eine schwere Zeit durchgemacht, vor allem die letzten Monate, aber wir sind ein Team. Ich werde nicht zulassen, dass irgendetwas oder irgendjemand zwischen uns kommt. Kein anderer Mann, kein fast tödlicher Unfall … und auch nicht Sie, Signora Costanzo.“
„Ich verstehe. Wäre das dann alles?“
Erkannte sie da etwa einen Anflug von Respekt im Blick ihrer Schwiegermutter? Diese verblüffende Möglichkeit gab Maeve Auftrieb. „Nein. Sollte mein Sohn mich eines Tages vor vollendete Tatsachen stellen und mir eine schwangere Schwiegertochter präsentieren, werden mir vielleicht auch impulsiv Ausdrücke wie ‚Ehefalle‘ und ‚Parvenü‘ in den Kopf schießen.“
„Dann haben wir also tatsächlich etwas gemeinsam.“
„Was wir gemeinsam haben, Signora Costanzo, ist, dass wir beide Dario und Sebastiano lieben. Ich erwartete nicht, dass Sie mich lieben, aber können wir nicht unsere Differenzen um unserer Familie willen im Zaum halten und versuchen, eine engere Beziehung zueinander zu finden, eine Beziehung, die zumindest auf gegenseitigem Respekt und
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