Julia Extra Band 0316
Anrufe für mich entgegennehmen und notieren? Das wäre reizend.“
Die Leitung war tot, bevor Katie protestieren konnte.
Um ein Haar hätte sie den mobilen Hörer vor Wut gegen das riesige Panoramafenster geschleudert. Und dabei hatte sie geglaubt, alles über Gefühlskontrolle zu wissen. Ging Rigo tatsächlich davon aus, dass sie für ihn Gewehr bei Fuß stand?
Das Telefon klingelte erneut, und Katie drückte kurz entschlossen ein paar Knöpfe, bis sie herausfand, wie man den Anrufbeantworter aktivierte. Eine Tatsache blieb jedoch bestehen: Sie musste mindestens eine Nacht in Rom bleiben und konnte nicht direkt nach dem Meeting mit Rigo zurück nach Hause fliegen.
Allerdings wollte sie nicht mit ihm im Penthouse übernachten. Auf keinen Fall! Aber jetzt war nicht der Augenblick, um in Panik zu verfallen. Zuallererst musste sie in ihrer Kanzlei anrufen und ihren Kollegen behutsam eine moderate Version der Ereignisse schildern. Anschließend wollte sie sich ein bezahlbares Hotel suchen und ein paar Dinge einkaufen, die sie für eine Übernachtung brauchte.
Und falls Rigo wirklich noch brennend interessierte, was sein Stiefbruder im Testament verfügt hatte, würde er sie eben aufsuchen müssen. Das war schließlich der normale Weg, miteinander umzugehen …
Katie checkte in einem Mittelklassehotel ein: Standardzimmer mit Ausblick auf die Außenklimaanlage. Aber sie hatte alles, was sie brauchte. Ein sauberes Bett, ein eigenes Badezimmer, einen Schreibtisch mit Stuhl und einen Fernseher. Vor allem gab es eine gemütliche Lobby mit separaten Sitzgruppen. Dort konnte sie sich mit Rigo treffen, wenn er sich dazu bequemte, ihr seine Zeit zu schenken.
Und was jetzt? Immerhin befand sie sich in einer der aufregendsten Städte der Welt. Geschichte, Mode, Lifestyle … Und sie hatte die Wahl, allein in ihrem Zimmer zu sitzen oder sich ganz mutig nach unten in die Lobby zu wagen, um dort auf Rigo zu warten. Oder sollte sie sich einfach mit Fernsehen ablenken?
Fernsehen in Rom? Was war mit ihren Einkaufsplänen? Bestimmt gab es gleich in der Nähe des Hotels eine günstige Gelegenheit, die Filiale einer Billigkette oder ein Einkaufszentrum.
Als sie sich beim Concierge erkundigte, erklärte er ihr den Weg zur Via del Corso. Er beschrieb die Straße als eine der beliebtesten Einkaufsstraßen von Rom, und Katie fand schnell heraus, dass er nicht untertrieben hatte. Hier herrschte so viel Glanz und Trubel – kein Vergleich zu den Einkaufsmöglichkeiten in ihrer Heimat. Ein paarmal blieb sie überwältigt stehen und sah sich um, bis sie von anderen Passanten angerempelt und so zum Weitergehen gezwungen wurde.
Ich bin eine einfache Touristin und genieße jeden Augenblick, nahm sie sich vor. Mit diesem Entschluss warf sie sich ins Getümmel und stellte fest, dass sie das bunte Chaos, die klangvolle italienische Sprache und die ansteckende Energie der Menschen liebte. Ihre Arbeit schien Lichtjahre entfernt …
Von Minute zu Minute verschwand ihre Melancholie etwas mehr, und in ihr wuchs der Wunsch, so viele faszinierende Erfahrungen wie möglich zu sammeln, um sie zu bewahren und später mit den Mädels im Büro teilen zu können. In ihrer Vorstellung kaufte Katie haufenweise Fantasiekleider für ihre Fantasiegarderobe und zahlreiche Fantasieaccessoires dazu. Es war herrlich, für einen Tag die Märchenprinzessin zu spielen …
Später saß sie in einem schicken Café und trank mitten auf dem Bürgersteig ihren Latte macchiato – genau wie die anderen Menschen um sie herum. Für Katie jedoch bedeutete das enorm viel. Sie fühlte sich frei, lächelte in den blauen Himmel und hätte gern ihren Zopf gelöst, um die offenen Haare zu schütteln – so wie es die anderen Frauen in ihrem Alter taten.
Warum eigentlich nicht? Sie ließ sich sogar dazu hinreißen, ihre Kostümjacke aufzuknöpfen. Der gut aussehende Kellner lobte ihre Aussprache und flirtete ungeniert mit ihr. Damit bestätigte er jedes Klischee von den romantischen, verführerischen Italienern, das englische Frauenherzen höher schlagen ließ. Natürlich war ihr klar, dass dieser Flirt nicht ernst gemeint war, dennoch tat ihr die Aufmerksamkeit außerordentlich gut. Und zum ersten Mal seit Jahren traute sie sich, solch harmlose Avancen zu erwidern. So konnte sie schließlich auch ihr Italienisch ein wenig vertiefen …
Ihre Augen leuchteten vergnügt, und sie fühlte sich seit geraumer Zeit endlich wieder lebendig. Rom tat ihr gut und weckte ihre Lebensgeister
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