Julia Extra Band 0316
– dafür allein hatte die Reise sich schon gelohnt. Die Stadt hielt, was sie versprach: Sie war magisch, romantisch, inspirierend … einfach voller Abenteuer, die es nur noch zu entdecken galt.
Allerdings fand Katie es ausgesprochen unheimlich, dass sich allmählich etwas in ihr entfesselte. Sie hoffte inständig, dass es nicht ihre wagemutige Seite war. Denn die hatte Katie seit ihrem Unfall sicher weggeschlossen – aus reinem Selbstschutz. Jetzt dachte sie an Rigo und daran, wie gefährlich es war, in seiner Gegenwart zu viel Selbstvertrauen aufzubauen. Das würde sie nur in unvorstellbare Schwierigkeiten bringen.
Ein Schatten fiel über ihren Tisch. Nein! Das konnte doch nicht sein!
„Signorina Bannister.“
„Rigo!“ Erschrocken sprang sie auf, setzte sich aber sogleich wieder hin. Hatte er sie nicht sogar ausdrücklich gebeten, ihn mit Vornamen anzureden? „Sie habe ich hier am allerwenigsten erwartet“, keuchte sie.
„Das ist nicht zu übersehen.“
Er warf dem Kellner, der sich geschmeidig zwischen den engen Tischen bewegte, einen finsteren Blick zu. Hatte Rigo den kleinen Flirt etwa mitbekommen? Bestimmt zog er völlig falsche Schlüsse aus Katies Verhalten. Aber daran ließ sich im Augenblick nichts ändern.
„So vertreiben Sie sich also die Zeit, während ich fort bin?“, erkundigte er sich beiläufig.
„Haben Sie Ihre kleine Spritztour genossen?“, antwortete Katie mit einer Gegenfrage.
„Ich bin davon ausgegangen, dass Sie mich im Penthouse erwarten.“
„Leider wusste ich nicht, wie lange Sie von Ihrem Termin aufgehalten werden“, gab Katie gelassen zurück. „Meinen Rückflug werde ich ohnehin verpassen, weil ich immer noch das Testament verlesen muss.“ Mit einer Hand wies sie auf einen leeren Stuhl. „Möchten Sie sich vielleicht zu mir gesellen?“
Mit starrer Miene zog Rigo einen dritten Stuhl an den Tisch. „Wie Sie sehen, bin ich nicht allein.“
Das hatte Katie bisher tatsächlich vollkommen übersehen. Hinter ihm tauchte die hübsche Blondine auf, die Katie bereits auf dem Titelblatt ihrer englischen Zeitschrift bewundert hatte. Sie trug etliche Einkaufstaschen, die sie geschickt zwischen den Tischen hindurchmanövrierte, und buchstäblich jeder männliche Cafébesucher drehte sich nach ihr um.
Augenblicklich nahm Katie sich vor, dieses Mädchen in der kurzen Zeit, die sie in ihrer Gegenwart verbringen würde, mit Freundschaft und Anerkennung zu überhäufen – um sich ihre latente Eifersucht keinesfalls anmerken zu lassen. So kleingeistig wollte sie nicht einmal vor sich selbst erscheinen.
Mit einem perfekt geformten Schmollmund beschwerte sich die unbekannte Schönheit auf Italienisch bei Rigo darüber, dass sie aufgehalten wurden, und zupfte ungeduldig an seinem Ärmel. Dann starrte sie mit ihren riesigen, geschminkten Augen Katie an.
Diese erwiderte den Blick mit einem Lächeln – oder tat zumindest ihr Bestes, eine höfliche, freundliche Miene aufzusetzen.
Nachdem Rigos Begleiterin Katie ausgiebig gemustert hatte, wagte sie ihrerseits ein zaghaftes Schmunzeln. Offenbar war sie zu dem Schluss gekommen, keine ernsthafte Konkurrenz vor sich zu haben.
„Antonia“, sagte Rigo mit unerwarteter Strenge in der Stimme. „Denk bitte daran, dass Signorina Bannister geschäftlich hier in Rom ist!“
Er verteidigt mich, wunderte Katie sich. Doch ihre aufkeimende Freude verflog sofort, als Rigo seine junge Freundin direkt neben ihr platzieren wollte.
„Keine Sorge“, erwiderte Antonia spitz. „Ich weiß, wann ich unerwünscht bin.“ Sorgfältig verstaute sie ihre Einkaufstüten unter dem Tisch und richtete sich dann auf. „Ich will gar nicht dabei sein, wenn ihr euch über Geschäfte unterhaltet.“
„Oh, bitte, meinetwegen müssen Sie nicht gehen“, widersprach Katie schnell und stand auf. „Ich wollte ohnehin gerade los.“
„Nein, wollten Sie nicht“, schaltete Rigo sich ein. „Sie haben Ihren Macchiato ja kaum angerührt.“
Erschrocken sah Katie auf seine Hand hinunter, die er lose auf ihren Arm gelegt hatte. Ob er merkte, wie sie unter dieser Berührung erzitterte?
„Und du setzt dich jetzt hin!“, befahl er Antonia. „Was ist nur los mit euch beiden?“
Wo sollte ich da anfangen, dachte Katie im Stillen und setzte sich zögernd wieder auf ihren Stuhl. Mehr denn je fühlte sie sich wie die arme, unwillkommene Verwandte vom Land, der man einen schönen Tag in der Stadt bescheren wollte.
Genüsslich streckte Rigo sich aus. „Und Sie
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