Julia Extra Band 0316
Kristallglas wirkte.
„Sieh mal!“ Behutsam nahm sie einen der Schuhe aus dem Karton und zeigte ihn Coreen.
„Ja, die sind absolut fabelhaft! Wenn es meine Schuhgröße wäre, würde ich sie für mich behalten.“
„Aber hier steht Größe fünfeinhalb“, meinte Alice nach einem Blick auf die Innensohle. „Die müsste dir doch passen!“
Coreen schüttelte den Kopf. „Das ist die amerikanische Größe, bei uns also siebenunddreißig.“
Und genau das war Alices Größe! Ja, diese Schuhe waren ihr sozusagen vom Schicksal bestimmt. Solche Schuhe sollte sie eigentlich immer tragen statt der Sneaker oder der klobigen Stiefel, die Coreen schon so manche kritische Bemerkung entlockt hatten.
„Dann gehört ihr jetzt mir“, flüsterte Alice, was ihr einen verständnisvollen Blick ihrer Freundin eintrug. „Wie viel sollen sie kosten?“
„Ich habe für die ganze Kiste nur fünfzig Pfund bezahlt und kann den Inhalt für das mindestens Fünffache losschlagen. Nimm sie dir einfach.“
„Ehrlich?“
Coreen lächelte. „Klar. Ich sehe dir doch an, dass du dich auf den ersten Blick in sie verliebt hast und es eine Liebe fürs Leben ist. Na mach schon! Probier sie an.“
Alice gehorchte gern. Sie setzte sich auf den Klappstuhl hinter dem Verkaufstisch und zog Schuhe und Wollsocken aus, wobei sie hoffte, dass Coreen sich mit der Größe nicht geirrt hatte. Dann schlüpfte sie in die rechte Sandalette, ohne auf die eiskalte Luft an den nackten Zehen zu achten.
O ja! Ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht: Diese Schuhe waren einfach perfekt. Wie extra für sie gemacht. Ihre Füße, die sie eigentlich zu knochig fand, wirkten nun schmal und zierlich, die schlanken Fesseln wohlgeformt und sexy.
„Woraus sind diese Absätze nur gemacht?“, erkundigte sie sich wissbegierig und hielt einen Fuß hoch.
„Das Material nennt sich Lucite“, gab Coreen bereitwillig Auskunft. „Das ist so eine Art Plexiglas und war in den Fünfzigerjahren mal sehr in Mode. Nicht nur für Schuhe, sondern auch für Modeschmuck. Ich glaube, ich habe ein Paar Ohrringe in meinem Schmuckkästchen.“ Sie wies auf die kleine Vitrine mit dem Glasdeckel. „Aber der Hit sind die Handtaschen.“
„Handtaschen aus diesem Material?“, fragte Alice ungläubig.
„Ja. Es gibt sie in allen möglichen Formen und Farben, und sie sind echte Sammlerstücke, weil nur wenige Exemplare völlig unbeschädigt sind. Wenn eins in gutem Zustand ist, kann man dafür mehrere hundert Pfund bekommen. Also halt immer schön Ausschau danach“, bat Coreen eindringlich und widmete sich wieder der Aufgabe, die Waren möglichst attraktiv zu arrangieren.
Alice drehte ihre Füße hin und her und bewunderte ihre neuen Sandaletten. Normalerweise geriet sie bei Schuhen, anders als viele Frauen, nicht völlig aus dem Häuschen, aber nun viel es ihr beinah schwer, wieder die dicken Socken und ihre alten Joggingschuhe anzuziehen.
„So, abgemacht. Sie gehören dir“, entschied Coreen und zog Alice hoch. „Und nun wieder an die Arbeit!“
Cameron Hunter stand an dem riesigen Fenster, das die eine Wand seines Büros ausmachte, und blickte auf London, das ihm im wahrsten Sinn des Wortes zu Füßen lag.
Er befand sich etwa zweihundert Meter über dem Meeresspiegel, in einem Büroturm inmitten der neu gestalteten Docks. Der anfangs klare Tag hatte sich bewölkt, und die Stadtlandschaft dort unten zeigte sich in gedämpften Braun- und Grautönen. Silbern glitzerte nur das Band der Themse.
Ich müsste mich wie ein König fühlen, und meistens tue ich das auch, dachte Cameron.
Er war noch keine fünfunddreißig und schon Inhaber einer Softwarefirma, die er quasi aus dem Nichts geschaffen hatte, nur mit Hilfe eines Bankkredits und einer bahnbrechenden Idee.
Nun befand er sich ganz oben, im doppelten Sinn. Sein Firmensitz lag in einem der grandiosen Bürotürme des Canary Wharf, die man von jeder Ecke Londons aus sehen konnte. Auch seine ehemaligen Schulkameraden, die ihn jahrelang gnadenlos verspottet und gemobbt hatten, konnten dieses Wahrzeichen des Erfolgs nicht ignorieren, egal, wo in der City sie arbeiteten.
Ja, sie hatten sich in ihm ziemlich geirrt!
Und setzten sie sich an ihre Computer, erschien auf den Rechnern wahrscheinlich seine Software. Das verschaffte ihm jedes Mal, wenn er daran dachte, ein Gefühl äußerster Genugtuung.
Als er mit seiner Firma Orion Solutions hierher in den Turm gezogen war, hatte die spektakuläre Aussicht ihn jeden Tag zum Lächeln
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