Julia Extra Band 0316
verblüfft.
Jennie holte eine Visitenkarte aus ihrer eleganten Handtasche. „Hier. Das ist meine Beschäftigung.“
„Du bist Eventmanagerin?“
Jennie nickte. „Ist das nicht ein guter Witz? Ich werde tatsächlich dafür bezahlt, meinen Spaß zu haben. Allerdings ist das Organisieren als solches manchmal etwas öde. Heute bin ich hier auf dem Markt, um mich inspirieren zu lassen. Kennst du eigentlich meinen Stiefbruder?“, fügte sie überraschend hinzu.
Alice überlegte kurz. „Ist er groß?“ Ob er dünn war, wollte sie nicht fragen, weil sie selbst es hasste, so beschrieben zu werden – obwohl es natürlich stimmte. „Und trägt er eine Brille?“
„Groß ist Cameron natürlich noch immer, aber eine Brille braucht er nicht mehr, seit er so eine Laseroperation hat vornehmen lassen“, erklärte Jennie und lachte.
Plötzlich wurde Alice von Erinnerungen überflutetet. Sie sah sich auf einer Party am Weihnachtsabend bei Jennies Eltern, auf der es fröhlich zuging. Schüchtern, wie sie war, hatte sie ständig befürchtet, für eine Scharade ausgewählt zu werden. Schließlich hatte sie sich ins Arbeitzimmer von Jennies Vater zurückgezogen und sich fürchterlich erschreckt, als sie dort auf einen schlaksigen jungen Mann traf, der entspannt dasaß und las.
Er hatte nichts gesagt, nur die Brauen hochgezogen und mit dem Kopf einladend auf den anderen Sessel gewiesen.
In den nächsten zwei Stunden hatten sie beide gelesen, nur ab und zu einige Worte gewechselt. Schließlich wurde sie aber doch von Jennie entdeckt, die darauf bestand, dass sie wieder zurück zu den anderen gingen und sich „amüsierten“.
Cameron und sie hatten gleichzeitig ein Gesicht geschnitten und sich dann verschwörerisch angelächelt.
Alice konnte sich nicht mehr richtig erinnern, worüber sie und Cameron sich unterhalten hatten, aber sein Lächeln hatte sie nie vergessen. Oder seine Augen, dunkelbraun mit hellbraunen Sprenkeln, genau wie die „Tigeraugen“, aus denen das Armband war, das sie von ihrer Großmutter geerbt hatte.
Schade, dass so warm und intelligent blickende Augen hinter so hässlichen, dicken Brillengläsern versteckt waren, hatte sie damals gedacht …
„Ja, ich erinnere mich an Cameron“, bekräftigte sie. „Er war nett.“
Nein, mehr als das, korrigierte sie im Stillen. Interessant. Aber erheblich älter als sie mit ihren sechzehn Jahren. Und obwohl sie in Gegenwart von Jungen, die sie noch nicht gut kannte, immer sehr befangen war, hatte sie sich damals gewünscht, es wäre Silvester statt Weihnachtsabend, und sie könne um Mitternacht zufällig neben Cameron stehen, sodass er sie küssen würde …
„Ja, nett ist er, aber mich bringt er zurzeit beinah um den Verstand“, meinte Jennie kritisch. „Er verlegt seine Firma demnächst in ein restauriertes altes Gebäude, und ich soll ihm zur Eröffnung eine Party mit Flair organisieren. Etwas Besonderes. Als würde ich jemals etwas anderes planen“, fügte sie leicht pikiert hinzu.
Inzwischen waren sie einmal um den Markt herumspaziert und befanden sich wieder vor Coreens Kleiderstand.
Jennie entdeckte das graue Cocktailkleid und berührte sanft die Schleife. „Das ist ja wirklich traumhaft“, sagte sie leise.
„Probieren Sie es an“, ermunterte Coreen sie. „Ich habe eine Abmachung mit Annabel, der die Boutique für Kindersachen dort drüben gehört. Meine Kundinnen dürfen ihre Umkleidekabinen benutzen, wenn ich ihr alle Kleider aus Goldlamé reserviere.
Unschlüssig biss Jennie sich auf die Lippe.
„Ja, probier es an“, bat auch Alice. „Manchmal sieht ein Kleid auf dem Bügel großartig aus, aber angezogen wirkt es wie ein Putzlappen.“
„Und manchmal findet man ein Kleid, das wie für einen geschaffen ist“, fügte Coreen hinzu. „Das einen wie durch Zauberei in ein echtes Traumgeschöpf verwandelt.“
„Gut, ihr habt mich überzeugt.“ Jennie nahm das Kleid und verschwand in Annabels eleganter Kinderboutique.
„Du wirst sehen, Alice, eines Tags wirst auch du ein Kleid anziehen und wie verwandelt sein“, meinte Coreen.
„Ha! Da verwandelt sich eher ein Frosch durch meinen Kuss in einen Prinzen“, wehrte Alice sarkastisch ab.
„Du wirst es erleben!“
Wenn Coreen in dieser Stimmung war, gab es nur eins: zustimmen und rasch das Thema wechseln.
„Ja, natürlich haben manche Kleider eine magische Ausstrahlung …“ Unauffällig lenkte Alice das Gespräch auf die bevorstehende Modenschau, die von Vintage-Händlern
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