Julia Extra Band 0316
dieses Projekt am Herzen lag und wie viel Spaß ihm die Planung machte.
„Du musst es dir unbedingt ansehen“, wiederholte er schließlich. „Was hast du morgen vor?“
„Da sollte ich ein größeres Computerproblem lösen bei …“
„Sag ab!“
„Das geht nicht“, protestierte sie aufgebracht. „Meine Kunden verlassen sich auf mich.“
„Gib mir die Adresse, ich schicke jemand aus meinem Computerteam hin, der das für dich übernimmt. Die Arbeit für mich soll dir schließlich keine finanzielle Einbußen bescheren.“
Es war schön und gut, dass er so schnell Ersatz für sie bereitstellte, aber sie war sich nicht sicher, ob sie ihre Arbeit von Fremden erledigt haben wollte. Allerdings würde sie dann auf die Modenschau verzichten müssen, denn beide Jobs ließen sich zeitlich unmöglich miteinander vereinbaren. Und ohne Modenschau würde sich die Eröffnung ihres Ladens noch länger hinauszögern.
Ihr blieb also nichts anderes übrig, als Cameron nachzugeben. Aus dem intelligenten, zielstrebigen jungen Mann von damals war eine überwältigende Persönlichkeit geworden, der man sich kaum widersetzen konnte.
„Ach übrigens, Cameron, wie heißt deine Firma doch gleich?“
Nicht, dass der Name bisher erwähnt worden wäre, wie ihr jetzt auffiel. Sie war viel zu begierig gewesen, ihm ihre Idee mit der Modenschau schmackhaft zu machen.
„Orion. Hat Jennie dir das nicht gesagt?“
Alice wäre beinah das Handy aus der Hand gefallen. „Orion Solutions?“
„Ja, richtig.“
Der Computer auf dem Tisch über ihr wurde mit dieser Software betrieben, ebenso beinah jeder Rechner auf der ganzen weiten Welt! Hatte sie, Alice Morton, wirklich gerade zugestimmt, eine Eröffnungsfeier für den Inhaber von Orion Solutions zu organisieren, einer der am schnellsten expandierenden Softwarefirmen weltweit?
Lieber Himmel, das war doch ein etwas zu großes Kaliber, oder?
Andererseits hatte sie sich mit Cameron damals vor den albernen Partyspielen an Weihnachten versteckt.
Irgendwie ließen sich diese beiden Bilder nur schwer verknüpfen. Obwohl er sich in den dazwischen liegenden zwölf Jahren natürlich verändert haben musste. Das hatte sie beim Telefonieren mit ihm gespürt. Damals war er zurückhaltend und präzise gewesen, nun merkte man ihm an, dass er innere Kraft besaß und völlig selbstsicher war, allerdings nicht so selbstherrlich, wie man von einem Tycoon erwarten könnte.
Ob er sich auch äußerlich verändert hatte? Natürlich war er immer noch groß, und hoffentlich noch so schlank wie früher, aber nicht mehr so schlaksig. Bestimmt hatte er noch widerspenstiges dunkles Haar, das ihm bis über den Hemdkragen reichte. Seine Augenfarbe, dieses dunkle Braun mit den goldbraunen Streifen, konnte sich gar nicht geändert haben. Aber vermutlich hatte er jetzt Fältchen um die Augen.
Plötzlich hörte sie ein vielsagendes Hüsteln vor dem Schreibtisch und sah ein Paar Wildlederschuhe und Hosenbeine mit Nadelstreifen.
Die gehörten Mr. Rogers, dem Besitzer der Anwaltskanzlei, dessen Computer sie wieder in Schwung bringen sollte. Das hatte sie inzwischen völlig vergessen.
„Cameron, ich muss jetzt Schluss machen. Wir sehen uns morgen.“
„Ja, um halb eins vor meinem neuen Firmensitz.“ Er ratterte die Adresse herunter.
Alice betrachtete mittlerweile den Wust an Kabeln und plötzlich stach ihr etwas ins Auge. Im übertragenen Sinn, zum Glück. Anscheinend hatte sie die Quelle des Problems ganz zufällig entdeckt. Es würde eine Weile dauern, es zu lösen, aber das war gut so, weil Mr. Rogers sie pro Stunde bezahlte.
„Alice? Ist dir halb eins recht?“, erklang Camerons tiefe Stimme im Hörer.
„Ja. Klar. Prima. Bis dann, Cameron.“
Er verabschiedete sich kurz und bündig, und Alice widmete sich dem Knäuel von Kabeln, auf das sie jetzt schon eine ganze Weile geblickt hatte.
„Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Miss Morton?“, erkundigte Mr. Rogers sich kühl.
Anscheinend wollte er sie zur Eile antreiben, und das mochte sie gar nicht. „Nein, danke. Außer … falls Sie gerade Tee machen wollten, hätte ich gern eine Tasse!“
„Na schön“, erklang es vor dem Schreibtisch, dann verließ Mr. Morton das Zimmer.
Alice verspürte deswegen überhaupt kein schlechtes Gewissen. Allein würde sie viel mehr in kürzerer Zeit schaffen. Außerdem war es nur gut gewesen, dass sie sich ungefähr fünf Minuten Zeit genommen hatte, um mit Cameron zu telefonieren. Hätte sie dabei nicht
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