Julia Extra Band 0316
den Apparat herauszunehmen, stieß sie sich den Kopf an.
Schließlich schaffte sie es und hielt sich das Handy ans Ohr. „Hier Alice Morton.“
„Hallo!“
Beim Klang der tiefen Stimme schlug ihr Herz schneller.
„Alice, wir haben ein Problem.“
Hatte er tatsächlich „wir“ gesagt?
„Und welches?“, fragte sie Cameron besorgt.
„Meine alberne kleine Stiefschwester ist … durchgebrannt“, antwortete er wütend.
Brennen moderne Frauen überhaupt noch durch?, überlegte sie unwillkürlich. Das war doch etwas für Heldinnen in historischen Romanen, die zu einer Vernunftehe gezwungen werden sollten. Und sie trugen weite Capes mit Kapuzen, während sie zu der im Mondlicht wartenden Kutsche eilten …
„Ohne Jennie können der Eröffnungsball und die Versteigerung nicht stattfinden“, erklärte er ohne Umschweife.
War es nötig, mir das so unvermittelt und direkt beizubringen?, dachte Alice bestürzt. Die Modenschau musste einfach stattfinden! Sie brauchten das Geld doch dringend, wenn sie im nächsten Februar einen eigenen Laden eröffnen wollten.
„Ich kann die Schau auch ohne Jennie organisieren“, versicherte sie Cameron, ohne zu überlegen.
Lieber Himmel, was hatte sie da gerade gesagt? Das Projekt war doch einige Nummern größer als die Modenschau auf dem Markt, zu der man Freundinnen und Cousinen als Models engagieren konnte.
„Mir gefällt dein Kampfgeist“, sagte Cameron nach einer winzigen Pause anerkennend. „Wir wollen beide, dass der Abend ein Erfolg wird. Jetzt noch einen Rückzieher zu machen ist keine Option. Also wirst du übernehmen müssen.“
„Wie bitte?“ Sie blickte starr auf den abgetretenen Teppich unter dem Schreibtisch.
„Du musst mir helfen, Alice! Du sagst, du könntest die Modenschau organisieren. Kannst du nicht auch den Ball übernehmen? Ich zahle dir denselben Betrag, den Jennie bekommen hätte.“
Er nannte eine Summe, bei der ihr beinah schwindlig wurde. Mit so viel Geld könnten sie und Coreen den Laden bereits zu Weihnachten eröffnen! Da machte es ihr nichts aus, dass er sie nicht nett um Hilfe bat, sondern sie förmlich dazu abkommandierte.
Trotzdem! „Ich habe doch gar keine Erfahrung mit der Organisation von Bällen“, wandte sie ein.
„Ich auch nicht. Aber ich versuch’s, wenn du mir hilfst. Es sind nur noch drei Wochen bis zur Einweihung des Firmensitzes. Das reicht nicht, um mit einem neuen Eventmanager noch mal ganz von vorn anzufangen.“ Plötzlich klang er direkt einschmeichelnd. „Bitte, Alice, sag Ja. Es ist für uns beide wichtig, mit der Sache Erfolg zu haben.“
Da hatte er recht! „Ich überlege es mir“, versprach sie zögernd.
Ihre Antwort fasste er anscheinend als Ja auf, denn er begann, Instruktionen herunterzuspulen und informierte sie, dass er sofort einen Kurier mit Jennies Unterlagen, soweit vorhanden, zu ihr schicken würde.
„Moment mal! Langsam“, warf Alice ein, als er kurz Atem schöpfen musste. „Du kannst mir die Unterlagen jetzt nicht schicken, weil ich nicht zu Hause bin, sondern bei der Arbeit.“
„Oh, entschuldige! Ich dachte, Jennie hätte gesagt, du wärst heute nicht auf dem Markt. Stöberst du gerade durch einen Kleiderschrank auf der Suche nach Fundstücken?“
„Nein.“ Sie setzte sich mit verschränkten Beinen bequemer hin, noch immer unter dem Schreibtisch, und stieß sich wieder den Kopf an. „Ich stöbere durch das Netzwerk eines Kunden.“
„Hast du Netzwerk gesagt?“, hakte Cameron nach einer kleinen Pause nach.
„Ja. Anscheinend ist Jennie tatsächlich ein bisschen vage, wenn es um Einzelheiten geht. Sie hat dir also nicht erzählt, dass ich hauptberuflich als Computerberaterin arbeite?“
„Genau. Das hat sie vergessen.“
„Macht nichts. Als Erstes müsste ich wissen, wie dein neuer Firmensitz aussieht, damit ich das Richtige planen kann. Es soll doch alles zur Umgebung passen.“
„Ja, du musst ihn dir unbedingt ansehen! Er ist einzigartig: eine ehemalige Brotfabrik aus den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts, reines Art déco! Wir haben versucht, so viel von der Bausubstanz zu erhalten, wie nur möglich war.“
„Das klingt faszinierend“, stimmte sie zu. „Wie sieht es mit Platz für den Ball aus? Gibt es einen Saal? Oder müssen sich die Gäste auf mehrere Stockwerke verteilen?“
„Langsam! Schön eine Frage nach der anderen“, bat er humorvoll.
Sie wiederholte ihre Fragen, und er beantwortete sie ausführlich. Man merkte deutlich, wie sehr ihm
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