Julia Extra Band 0316
nein“, rief sie entsetzt und fühlte sich fast nackt.
„Hier drinnen brauchen Sie keine Stola“, erklärte der Wirt mit fester Stimme. „In meinem Restaurant ist es eigentlich immer zu heiß.“
Hilflos sah Katie dem Kellner nach, der ihren Schal zur Garderobe brachte. Rigo führte sie an den Privattisch und rückte ihr dort galant den Stuhl zurecht. Dann setzte er sich ihr gegenüber hin und strahlte sie an.
„Macht es dir etwas aus, wenn ich mir die Ärmel hochkremple?“, fragte er. Offenbar missverstand er ihren unbehaglichen Blick.
Dabei hatte Katie nur gerade festgestellt, wie aufreizend die anderen weiblichen Restaurantbesucher gekleidet waren. Viele trugen schulter- und rückenfrei, bewegten sich selbstbewusst und völlig natürlich.
„Wie bitte?“ Verwirrt starrte sie Rigo an. „Nein natürlich nicht, mach nur!“ Er brauchte wohl kaum ihre Erlaubnis dafür, um seine muskulösen, tief gebräunten Unterarme zu zeigen. In einem Punkt hatte Gino recht: Es war wirklich erstaunlich heiß in seiner Pizzeria.
„Zehn Uhr.“
„Entschuldigung?“ Katie sah hoch.
„Mir ist aufgefallen, dass du meine Uhr betrachtest.“
„Ich habe nur …“
„Du willst doch hoffentlich nicht nach Hause?“
Gino ersparte ihr eine weitere Demütigung, indem er seine berühmten Pizzen servierte. Sie waren köstlich: dünn, knusprig, mit Chiliöl gewürzt und belegt mit frischem Gemüse und Meeresfrüchten – genau nach Katies Geschmack. Der zerlaufene Käse schmeckte zart und doch würzig.
Nachdem sie den ersten Bissen genommen hatte, merkte Katie erst, wie hungrig sie war. So sehr, dass es unmöglich war, diese Mahlzeit zurückhaltend und vornehm zu genießen.
„Jetzt weißt du, warum Gino und ich so gute Freunde geworden sind“, sagte Rigo lachend. Dann beugte er sich vor und tupfte mit seiner Serviette ihr Kinn ab. „Es gab immer etwas, das ich für ihn tun konnte, und ich für meinen Teil brauche nach einem harten Arbeitstag etwas Gutes zu essen.“
„Gegenseitiges Interesse“, murmelte sie mit vollem Mund.
„Allerdings. Dies ist aber nur der erste Gang, also spar dir noch etwas von deinem Appetit auf!“
„Oh, nein, ich könnte nicht noch mehr essen als das“, protestierte sie halbherzig.
„Wenn du in Italien leben würdest, hättest du schnell ein anständiges Hungergefühl entwickelt.“
Das glaubte Katie sofort. Entschlossen vermied sie es, Rigo direkt anzusehen. Ihr war schmerzhaft bewusst, dass sie am nächsten Tag Rom den Rücken kehren musste. Aber diese trübe Aussicht sollte ihr den heutigen Abend voller Magie nicht verderben.
Die ausgelassene Stimmung um sie herum hielt Katie gefangen, und schon bald bewegte sie den Fuß im Takt zur Musik. Gino bestand darauf, dass sie seinen Hauswein probierte, und Katie war heilfroh, dass sie sich dazu überreden ließ. Die rubinrote Flüssigkeit glitt sanft ihre Kehle hinunter und schmeckte einfach himmlisch nach Freiheit und Abenteuer. Wer brauchte teure Markennamen, wenn ein schlichter Hauswein einen so umwerfenden Effekt hatte? Zweimal ließ sie sich ihr Glas nachfüllen.
„Der schmeckt ein wenig nach Cranberrysaft“, bemerkte sie.
„Und ziemlich reichhaltig ist er auch“, warnte Rigo sie. „Trink ihn lieber langsam.“
Er behandelt mich ja schon wie seine kleine Schwester, dachte Katie unwillig. Außerdem trinke ich doch langsam, oder etwa nicht? Wenn dieser Wein nur nicht so lecker wäre …
„Und nun müsst ihr tanzen“, befahl Gino, als er mit ein paar leeren Tellern auf dem Arm an seinem Privattisch vorbeirauschte.
„Ich tanze nicht.“ Diesen Satz richtete Katie an Rigo, dessen Miene völlig gleichgültig blieb.
„Mach, was du willst!“, erwiderte er lächelnd und lehnte sich zurück.
„Signorina, würden Sie einen alten Mann glücklich machen?“, fragte Gino, als er aus der Küche zurückkam.
Irritiert sah Katie den Wirt an und brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass er es ernst meinte. Gleichzeitig fiel ihr auf, wie ungeniert die übrigen Frauen Rigo anstarrten, obwohl dieser nicht allein gekommen war.
Gino wollte tatsächlich mit ihr tanzen. Plötzlich machte Rigos Warnung in Bezug auf den Rotwein Sinn. Katies Kopf fühlte sich zwar ganz ruhig an, aber der Raum um sie herum schien leicht zu schwanken. Gino breitete hilfsbereit seine Arme aus.
„Geh nur“, ermunterte Rigo sie, und die Band stimmte eine Tarantella an.
Leicht stolpernd kam sie auf die Füße, als Gino sie freundlich, aber bestimmt am Arm
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