Julia Extra Band 0316
Oktave zu hoch. „Was machst du denn hier?“
„Wir wollten doch eigentlich zusammen essen“, erwiderte er schlicht und klang selbst für seine eigenen Ohren unglaubwürdig. „Schon vergessen?“
„Und ich sagte, ich würde im Hotel bleiben.“
Eben das wollte er ignorieren. „Du hast noch nichts gegessen?“, rief er überrascht. „Es ist neun Uhr.“ Als würde irgendjemand in Rom vor neun Uhr zu Abend essen! „Mach die Tür bitte ganz auf, Katie! Ich kann doch nicht hier auf dem Flur stehen bleiben.“
Ergeben entriegelte sie die Kette und trat zurück in das dunkle Zimmer. Unsicher stand sie in ihrem neuen Kleid da.
4. KAPITEL
„Hübsch siehst du aus“, bemerkte Rigo, nachdem er eingetreten war. Hübsch? Sie sah geradezu umwerfend aus, was allerdings eine Reihe von Fragen aufwarf. Diese unerwartet weibliche Seite an ihr erregte sein Misstrauen. „Tut mir leid, dass ich überhaupt so spät störe.“
Katie sah auf ihre Armbanduhr.
„Scheinbar willst du ausgehen?“ Nachdem sie seine Einladung zum Dinner ausgeschlagen hatte, traf sie sich jetzt womöglich mit dem Kellner von vorhin.
„Ich wollte nirgendwohin.“
Warum klang das nach echtem Bedauern? „Und dieses Kleid?“ Sein Blick haftete fest an ihrem Ausschnitt.
„Das habe ich nur anprobiert“, erwiderte sie und streckte defensiv ihr Kinn vor. „Mir ist auch schleierhaft, warum ich es mir heute gekauft habe.“
„Es steht dir unglaublich gut“, versicherte Rigo ihr. „Du siehst darin nicht nur hübsch, sondern fantastisch aus.“ Die Begriffe stolz und fraulich behielt er lieber für sich. Er räusperte sich umständlich. „Du wolltest also nicht ausgehen, obwohl du es doch gern würdest? Oder wie soll ich das alles verstehen? Ein Kleid wie dieses sollte schließlich an einem römischen Sommerabend ausgeführt werden.“
„Ich weiß nicht …“
„Wie du siehst, habe ich längst Feierabend. Antonia hat übrigens ein Essenspaket für dich zusammenstellen lassen, das ich in der Hotelküche hinterlegt habe. Aber wir können auch gern in eine Pizzeria gehen.“
„Ach, deine kleine Schwester ist wirklich ein richtiger Schatz“, freute sich Katie. „Aber wenn wir wirklich essen gehen, muss ich mich noch mal umziehen.“
„Was? Wozu denn? Nichts da!“ Energisch nahm er ihre Hand und zog Katies Handtasche und einen luftigen Schal vom Garderobentisch. „Häng dir das um, dann gehen wir!“
Katie fühlte sich unendlich verwegen, als sie gemeinsam das Hotel verließen. Noch nie war sie in einem dünnen Sommerkleid unterwegs gewesen – ebenso gut hätte sie nackt sein können. So fühlte es sich jedenfalls für sie an …
Natürlich war ihr eine ganze Reihe von Entschuldigungen eingefallen, warum sie nicht mit in die Stadt gehen konnte, aber die Versuchung, als Rigos Begleitung durch die nächtlichen Straßen zu ziehen, war zu überwältigend gewesen. In den legeren Klamotten fand sie ihn unwiderstehlicher denn je.
Mit geschmeidigen Schritten ging er neben ihr her und warf ihr von Zeit zu Zeit einen blitzenden smaragdgrünen Seitenblick zu. Und plötzlich traute sie sich selbst nicht mehr zu, dass sie sich an diesem Abend vernünftig benehmen konnte. Es schien, als wäre in dieser Nacht alles möglich, und mit klopfendem Herzen überlegte Katie, was sie wohl noch erwartete …
„Geh ich zu schnell für dich?“, erkundigte Rigo sich höflich.
„Nein, nein, gar nicht.“
Sein sinnliches Lächeln schickte einen Schauer über ihren Rücken, und sofort war Katie sich wieder ihrer Narben bewusst, die ein körperliches Näherkommen ausschlossen. Wäre sie nicht so entstellt, könnte Katie sich tatsächlich dazu hinreißen lassen, wenigstens für eine Nacht ihr Glück mit Rigo zu versuchen. Aber die hässlichen Erinnerungen an die schlimmste Nacht ihres Lebens waren deutlich auf ihrem Rücken zu sehen.
Wenn er jetzt seinen Arm um mich legt, dachte sie. Sobald er mit seinen Fingern über den dünnen Stoff streicht, spürt er die Unebenheiten. Was ist, wenn er davor zurückschreckt, weil er nicht weiß, wie mein Rücken wirklich aussieht?
Ihre Gedanken spielten verrückt, dabei machte Rigo gar keine Anstalten, Katie zu berühren.
Auch wenn sie für ihre Kleinstadtverhältnisse außerordentlich schick zurechtgemacht war, konnte man Katie wohl kaum als die typische Femme fatale bezeichnen. Und Rigo war nur mit ihr unterwegs, um der Höflichkeit Genüge zu tun und sich für sein Verhalten am Nachmittag zu entschuldigen. Darum
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