Julia Extra Band 0316
verliebt hätte?
Doch es war müßig, darüber nachzudenken. Die Vergangenheit ließ sich nicht mehr ändern. Und was die Zukunft betraf …
Was konnte schon aus einer Beziehung zwischen ihr und dem Thronfolger werden? Bereits vor sechs Jahren hatte man sie als nicht würdig erachtet, eines Tages Fürstin von Amarnes zu sein, und sie bezweifelte, dass sich das geändert hatte. Außerdem ging da ja wohl die Fantasie mit ihr durch. Leo hatte sie bisher nur geküsst, und der Kuss war so harmlos gewesen, dass er kaum zählte.
Nur, dass er sich nicht harmlos angefühlt hatte …
So oder so würde sie in zwei Wochen mit Christian nach Hause zurückkehren. Trotzdem wünschte sie sich insgeheim, dass diese zwei Wochen niemals enden würden, auch wenn sie immer noch Angst hatte, was die Pläne des Fürsten betraf.
Es funktioniert, dachte Leo grimmig, während er Christian an der Hand hielt und der Junge ihm irgendetwas von einem Roboter oder einem Dinosaurier erzählte. Er hatte seinen Plan erfolgreich umgesetzt: Phoebe war dabei, sich in ihn zu verlieben. Warum fühlte er sich trotzdem so niedergeschlagen?
Weil er sie nicht verdiente, weil ihm Glück nicht zustand, weder jetzt noch jemals.
Doch ein schlechtes Gewissen konnte er sich genauso wenig leisten wie unangenehme Erinnerungen. Er musste sich auf sein Ziel konzentrieren. Selbst wenn Phoebe ihn dafür hassen würde, sobald sie die Wahrheit herausfand. Er tat nur, was er tun musste.
Ihretwillen.
Phoebe betrachtete die drei Abendkleider, die an ihrem Schrank hingen. Am Nachmittag hatte eine Bedienstete sie ihr in einer Schachtel gebracht. Zwischen dem Seidenpapier lag eine Visitenkarte mit nur einem Satz darauf:
Iss mit mir zu Abend!
Vor Freude schlug ihr Herz jetzt wieder wie wild, während sie überlegte, welches Kleid sie heute Abend zum Essen mit Leo tragen sollte. Dabei würde er ihr endlich erklären, was er von den Plänen des Fürsten wusste. Doch damit wollte Phoebe sich jetzt gar nicht befassen. Das Verlangen schien ihren Verstand auszuschalten. Ihr Denken beschäftigte allein die Vorstellung, dass sie mit Leo allein sein würde. Was würde geschehen? Was würde er tun? Und was würde sie tun?
„Welches Kleid soll ich anziehen?“, fragte sie Christian, der auf dem Bett lag und eine Kindersendung auf Dänisch sah.
Er blickte erst zu ihr und dann auf die Kleider. „Kann man die tragen?“
„Ja, Schatz.“ Lachend zerzauste sie ihm das Haar. Christian duckte sich weg und sah weiter fern. „Kannst du überhaupt irgendetwas von dem verstehen, was sie da zeigen?“
„Ich habe die Sendung schon zu Hause gesehen.“
„Komm, Sportsfreund, hilf mir mal!“
Mit einem gequälten Seufzer wandte Christian sich noch einmal von seiner Sendung ab und warf stirnrunzelnd einen Blick auf die Kleider. „Das silbrige.“
„Meinst du?“ Phoebe strich über das seidig glänzende Material. Es war wahrscheinlich nicht sinnvoll, einen Fünfjährigen in Modedingen um Rat zu fragen. Aber sie musste einfach mit jemandem reden, um sich von dieser aufgeregten Vorfreude abzulenken.
„Ja.“ Christian wandte sich wieder der Sendung zu, bei der es um einen sprechenden Löwen ging, der mit einem Zebra befreundet war. „Es hat dieselbe Farbe wie mein Roboter.“
„Und das ist ja wohl Grund genug“, murmelte Phoebe, während sie das Kleid vom Bügel holte. Sie ging ins Badezimmer, um sich umzuziehen. Das Kleid war verführerisch in seiner Schlichtheit. Zwei dünne Träger hielten ein figurbetontes Oberteil, und die langen Rockbahnen fielen silberglänzend bis zu ihren Knöcheln.
Als sie wieder aus dem Badezimmer kam, um sich Christian zu zeigen, sagte er: „Es passt zu deinen Augen.“
Lachend drehte sie sich vor ihm und fühlte sich schön.
„Isst du mit Leo?“, fragte er dann, und Phoebe errötete.
„Ja, Frances kümmert sich um dich.“
Christian zog die Augenbrauen zusammen. „Wirst du ihn heiraten?“
„Christian!“, rief Phoebe erschrocken. „Wie kommt du denn darauf?“
„Er ist nett, und ich habe keinen Dad.“
Phoebe war betroffen. „Ich dachte, du wolltest keinen.“
Mit einem Blick gab Christian ihr zu verstehen, wie unglaublich dumm diese Annahme war. Und hatte er nicht recht? Egal, mit wie vielen Freunden sie ihn umgab, egal, wie viel Liebe sie ihm schenkte, durfte er sich nicht trotzdem einen Vater wünschen?
Brauchte er nicht einen?
Und könnte Leo dieser Aufgabe gerecht werden?
He, Phoebe, rief sie sich dann selbst zur Ordnung,
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