Julia Extra Band 0316
Schlafgemach verließ, deutete Leo eine Verbeugung an.
Zurück in seinen eigenen Räumlichkeiten ging er geradewegs zum Tisch mit den Alkoholika. Doch dann wandte er sich leise fluchend ab, öffnete die französischen Fenster zur Terrasse und trat hinaus. Das schmiedeeiserne Geländer fühlte sich kalt an, und die Nachtluft drang ihm wie ein Dolch in die Lunge. Sterne glitzerten am schwarzen Himmel, und der Mond war nur mehr eine blasse, silberne Sichel. In der Ferne leuchteten die Lichter des Hafens, und es roch nach Schnee.
Leo fluchte laut. Noch nie hatte er sich so in die Ecke getrieben gefühlt: Er musste Phoebe beschützen – und die Krone. Dafür gab es nur eine Lösung. Doch dazu musste er Phoebe manipulieren und benutzen.
Er musste sie heiraten.
So könnte sie bei ihrem Sohn bleiben, müsste sich aber den machtpolitischen Intrigen der Fürstenfamilie unterwerfen und ein Leben führen, das sie sich so nicht ausgesucht hätte: in einem fremden Land, in einer Ehe ohne Liebe.
Wenn auch nicht ohne Leidenschaft, denn die existierte zwischen ihnen, das wusste Leo – und wie er das wusste! Er spürte es mit jeder Faser. Jedes Mal, wenn er Phoebe sah, überfiel ihn das Verlangen, sie zu berühren, ihre weichen Lippen zu küssen, die zarte Haut zu streicheln und das lockige Haar.
Diese ständige Begierde hatte ihn auch auf die Idee mit der Hochzeit gebracht. Doch war Leidenschaft genug? Würde Phoebe in eine Ehe mit ihm einwilligen? Würde sie ihn hassen, wenn sie erfuhr, was er getan hatte, was für ein Mensch er war?
Würde es überhaupt jemals dazu kommen?
Leo schloss die Augen. Phoebe ist eine gute Frau, dachte er schuldbewusst. Viel zu gut für mich.
Ein kalter Wind kam auf, ließ die Äste erbeben und ihn erzittern. Einen weiteren Fluch unterdrückend, ging Leo entschlossen wieder hinein.
7. KAPITEL
Als Phoebe erwachte, dämmerte es draußen in zarten Rosatönen. Sie lag einen Moment still da und genoss die Ruhe, auch wenn ihr langsam bewusst wurde, wo sie sich befand und warum: in Amarnes, weil Nicholas womöglich das Sorgerecht für Christian wollte. Außerdem hatte Leo sie geküsst.
Beim Blick auf die Armbanduhr stellte sie fest, dass es bereits höchste Zeit zum Aufstehen war. In Skandinavien wurde es im Winter sehr viel später hell als in New York. Sie ging schnell ins Bad und zog sich an. Heute wollten sie mit Leo Schlittschuh laufen, und trotz ihrer Sorge wegen Nicholas freute sie sich auf diesen Tag.
Gerade als Phoebe, Leo und Christian den zentralen Platz in Njardvik erreichten, kam die Sonne hinter den Wolken hervor. Das Karree war umgeben von hübschen Häusern aus der Gründerzeit, jedes in einem anderen Pastellton gestrichen. In der Mitte der Freifläche lag die Eisbahn und glänzte im Sonnenlicht. Ein mindestens zehn Meter hoher Weihnachtsbaum mit roten und goldenen Kugeln beherrschte die Szenerie, und nicht nur Christian stand eine Weile staunend davor. Dann gingen sie zum Schlittschuhverleih.
„Bist du schon einmal Schlittschuh gefahren?“, fragte Leo, als er Phoebe ihr Paar reichte.
„Ein bisschen.“ Phoebe lächelte augenzwinkernd. „Und du?“
„Auch ein bisschen.“
„Ich falle ziemlich oft“, gestand Christian und streckte Leo die Beine hin, damit er ihm die Schlittschuhe zuband.
Danach nahm Leo den Jungen an die Hand und half ihm auf die Eisbahn. Phoebe sah den beiden von der Bande aus zu. So wie es aussah, hatte Leo mehr als nur ein bisschen Übung. Er fuhr problemlos rückwärts und zeigte Christian, wie er die Füße setzen musste, um selbst Schwung zu holen. Als dem Jungen ein paar zaghafte Schritte gelangen, kehrte Leo zu Phoebe an die Bande zurück.
„Du fährst gut“, sagte sie.
„Wenn man in Amarnes aufwächst, gehört Schlittschuhfahren einfach dazu. Willst du es auch mal versuchen? Oder hast du Angst?“
„Ich und Angst?“ Gekonnt stieß Phoebe sich von der Bande ab, glitt in die Mitte der Bahn und fuhr dort eine elegante Acht, bevor sie eine perfekte Pirouette drehte.
„Super, Mom!“, rief Christian und erklärte Leo: „Sie ist früher ziemlich oft Schlittschuh gelaufen.“
„Das scheint mir auch so.“
Mit einem breiten Lächeln kam Phoebe zu den beiden zurück. „Ich habe fünf Jahre lang Unterricht genommen und davon geträumt, eines Tages ein großer Eislaufstar zu werden.“
„Was ist passiert?“
„Ich war nicht gut genug.“
„Besser als ich bist du allemal, und du brauchst gar nicht so zu strahlen. Ich hatte mich schon
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