Julia Extra Band 0318
Flur stehen, während sie den düsteren Raum durchquerte und entschlossen die Vorhänge zur Seite riss. Graues Licht fiel herein, und Eve drehte sich auf dem Absatz um – und erstarrte.
Die gesamte Einrichtung war in Schwarz und Rot gehalten, bis hin zu dem riesigen, schwarzen Lackbett. Sehr dramatisch, modern und ausgesprochen sexy! Gleichzeitig grell und geschmacklos.
Talos lehnte am Türrahmen und beobachtete Eve, die auf der Suche nach Anhaltspunkten alle Schränke und Schubladen öffnete. Die Kleider im Schrank waren genau wie das ganze Zimmer aufreizend und exzentrisch. Die Garderobe einer Frau, die Aufmerksamkeit erregen wollte und auch genau wusste, wie sie es anstellen musste.
Eve zitterte leicht.
Schwarze Stiefel mit Pfennigabsatz, eine Gucci-Handtasche, ein Koffer von Louis Vuitton. Sie fand ihren Pass und blätterte ihn ratlos durch: Sansibar? Mumbai? Kapstadt?
„Du hast nicht übertrieben“, bemerkte sie trocken. „Ich bin anscheinend permanent unterwegs gewesen. Vor allem während der letzten drei Monate.“
Als er ihr eine Antwort schuldig blieb, drehte Eve sich zu Talos um. Sein Gesicht war ausdruckslos.
„Ja“, sagte er nur. „Ich weiß.“
Schnell warf sie den Pass in den Koffer, zusammen mit Kleidern und Schuhen, die ihr völlig fremd waren. Dann lehnte sie sich gegen einen Bettpfosten und sah sich um. „Hier gibt es fast nichts Persönliches.“
„Das habe ich dir ja prophezeit.“
Im Bücherregal befanden sich zahllose alte Modezeitschriften und ein paar Bücher über Etikette und Promis. Wahllos zog sie ein Werk hervor, das den Titel trug: „Wie man sich einen Mann angelt“ .
„Das war noch nie dein Problem“, brummte Talos trocken.
Ihr war hundeelend zumute, und er riss seine Witze? Eve machte einen abfälligen Laut und warf das Buch in seine Richtung. Mühelos fing er es auf.
„Sieh mal, Eve“, beruhigte er sie. „Das spielt doch alles keine Rolle.“
„Natürlich tut es das! Diese Dinge hier verraten mir, wer ich wirklich bin.“ Mit einem Finger wies sie auf den Kleiderschrank. „Gerade habe ich herausgefunden, dass ich mich als Mädchen nur für mein Aussehen interessiert habe, meinen Stiefvater – der mich liebte – offensichtlich ignorieren wollte und an Weihnachten nie zu Hause war.“ Tränen stiegen ihr in die Augen. „Ich habe ihn allein sterben lassen“, setzte sie mit erstickter Stimme hinzu. „Wie kann man nur so grausam sein?“
Verzweifelt nahm sie ein Foto zur Hand, auf dem ein sympathisch lächelnder Mann zu sehen war. Den Arm hatte er um eine hübsche, dunkelhaarige Frau gelegt, die ebenfalls lächelte, und vor den beiden stand ein stämmiges kleines Mädchen, dem beide Vorderzähne fehlten.
Lange betrachtete sie das Bild, aber in ihrer Erinnerung regte sich nichts. Dies mussten ihre Eltern sein, doch leider erkannte Eve keinen von beiden. War sie tatsächlich so herzlos?
„Was hast du da?“, wollte Talos wissen.
„Nichts, was mir weiterhelfen würde.“ Dann ließ sie den schweren Rahmen aufs Bett fallen und vergrub das Gesicht in beiden Händen. „Ich kann mich einfach nicht mehr erinnern. Ich kann nicht!“
Mit zwei großen Schritten war Talos bei ihr und umfasste ihre Schultern. „Ich habe meine Eltern auch kaum gekannt, und es hat mir nicht geschadet.“
„Es geht doch nicht nur um die Vergangenheit“, flüsterte sie. „Warum solltest du mit einer Person wie mir zusammen sein wollen? Ein Mensch ohne Substanz und ohne Seele?“
Er antwortete nicht.
„Und jetzt ist es zu spät“, fuhr sie unglücklich fort. „Ich habe meine Familie verloren und mein Heim.“
„Dein Zuhause ist bei mir“, sagte er leise.
Eve sah zu ihm hoch. Draußen hatte sich die Sonne durch die grauen Regenwolken gekämpft und warf nun ihre Strahlen auf Talos’ schönes Gesicht. Winzige Staubpartikel tanzten glitzernd um seinen Kopf herum.
„Lass es mich dir beweisen“, drängte er und streichelte ihre Arme. „Heirate mich!“
Wie fließender Strom ging seine Wärme in Eves Körper über, doch sie schüttelte nur betrübt den Kopf. „Ich kann nicht.“
„Wieso nicht?“
„Weil ich nicht aus Mitleid geheiratet werden möchte.“
Seine Arme schlossen sich um sie, und Talos strich beruhigend über ihren Rücken. „Mitleid ist wohl das Letzte, was ich für dich empfinde.“
Ergeben schloss sie die Augen und ließ sich gegen ihn sinken. Sie wollte mehr von ihm, wollte seine Wärme spüren, sein inneres Feuer.
„Komm fort mit mir“,
Weitere Kostenlose Bücher