Julia Extra Band 0318
seinem Tod hatte die Beerdigung bezahlt werden müssen. Außerdem Rechnungen, die Douglas im Endstadium seiner Krankheit nicht mehr selbst hatte begleichen können.
„So ein Schreiben ist bei mir nicht eingegangen“, erwiderte Ava, als sie wieder klar denken konnte. „Sind Sie sicher, dass es geschickt wurde?“
Unwillig schlug der Notar die Akte wieder auf und entnahm ihr die Kopie des Schreibens.
Das ist ja furchtbar, dachte Ava entsetzt, als sie den Computerausdruck überflog.
„Sie kennen Signor Castellano von früher?“ Der Notar schreckte sie aus ihrer Grübelei.
„ Oui, Monsieur .“ Sie runzelte die Stirn. „Wir sind uns vor fünf Jahren in London begegnet.“
„Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine besseren Neuigkeiten mitteilen kann, Madame Cole“, sagte der Notar. „Mr. Cole wünschte, dass es Ihnen an nichts fehlen sollte, doch die Weltwirtschaftskrise hat auch ihn, wie viele andere Investoren und Geschäftsleute, hart getroffen. Freundlicherweise war Signor Castellano bereit, die Schulden als Teil des Übernahmepakets zu begleichen.“
Ava glaubte, sich verhört zu haben. „Welche Schulden? Douglas hat mir versichert, alles wäre in Ordnung, ich müsste mir keine Sorgen machen.“ Jetzt klang sie wie das junge, naive Luxusweibchen, als das sie in den Medien dargestellt wurde! Wahrscheinlich geschah es ihr ganz recht, denn es war tatsächlich naiv gewesen, Douglas vor fünf Jahren all seine Schwüre geglaubt zu haben. Bereits Stunden nach der Trauung hatte sich herausgestellt, dass seine Versprechungen nichts galten.
Monsieur Letourneur musterte sie mit ernster Miene. „Vielleicht wollte er Sie nicht beunruhigen. Aber die Dinge standen wirklich nicht zum Besten. Ohne Signor Castellanos großzügiges Angebot würden Sie jetzt in echten Schwierigkeiten stecken. Täglich gehen neue Forderungen ein. Signor Castellano ist bereit, alle Rechnungen zu begleichen.“
„Das … erscheint mir sehr großzügig“, erwiderte sie und straffte sich.
„Ja, aber als einer der reichsten Männer in Europa kann er es sich leisten“, gab der Notar zu bedenken. „Sein Bauunternehmen hat in den vergangenen Jahren unglaublich expandiert. Auf der ganzen Welt gibt es Niederlassungen, sogar in ihrem Geburtsland. Beabsichtigen Sie, nach Australien zurückzukehren?“
Das wäre schön, dachte Ava. Aber ihre jüngere Schwester war in London verheiratet, und sie wollte gern in Serenas Nähe bleiben. Gerade jetzt. Ihre Schwester hatte nach einer erneuten künstlichen Befruchtung eine Fehlgeburt erlitten und war am Boden zerstört. Natürlich war Ava gleich zu ihr geeilt und hatte bei der Abreise versprochen, bald wiederzukommen. Wenn sie sich allerdings so kurzfristig wieder in London blicken ließe, würde Serena misstrauisch werden. Und Ava wollte sie nicht auch noch mit ihren eigenen Problemen belasten. „Nein, ich habe eine Freundin in Schottland, die ich gern besuchen würde. Vielleicht finde ich dort ja auch einen Job.“
Ein zynisches Lächeln huschte über das Gesicht des Anwalts, als er sich erhob. Von seinem Blickwinkel aus gesehen ist das wohl berechtigt, dachte Ava. Er musste ja denken, dass sie sich in den vergangenen fünf Jahren hatte aushalten lassen. Wahrscheinlich zweifelte er daran, dass eine so verwöhnte Frau je imstande wäre, einer geregelten Arbeit nachzugehen.
Ava war sich ihrer schwierigen Lage durchaus bewusst. Natürlich würde es nicht leicht sein, einen Job zu finden. Aber sie war auf ein geregeltes Einkommen angewiesen, denn sie wollte ihre Schwester auch weiterhin finanziell unterstützen. Richard Holt, Serenas Ehemann, verdiente nicht genug, um die teuren künstlichen Befruchtungen bezahlen zu können. Und Serena wünschte sich doch so sehr ein Baby!
Beim Verlassen der Anwaltskanzlei warf Ava einen Blick auf ihre Armbanduhr. In knapp drei Stunden würde sie Marc Castellano nach fünf Jahren zum ersten Mal wiedersehen. Schmetterlinge schienen in ihrem Bauch zu flattern. Vor Angst oder vor Aufregung?
Wahrscheinlich beides, dachte sie, als sie auf hochhackigen Pumps den Bürgersteig entlangging. Sie hatte damit gerechnet, dass Marc sich melden würde. Er konnte es wohl kaum erwarten, seinen Triumph über ihre missliche Lage auszukosten. Die Nachricht von Douglas’ Tod vor sechs Wochen hatte sich wie ein Lauffeuer um den ganzen Erdball verbreitet. Wahrscheinlich hatte Marc das Wiedersehen so lange hinausgezögert, um sicherzugehen, dass sie tatsächlich am Boden zerstört
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